Auch wenn die Bewertungen für Tech und FinTech Unternehmen in den letzten Wochen unter Druck standen und insbesondere der Einbruch bei den Kryptowerten für Aufregung sorgte, wird der FinTech-Markt insgesamt weiterwachsen und auch für weitere neue, innovative Unternehmen attraktiv bleiben. Trotz aller Entwicklungen in den letzten Jahren können Zahlungsvorgänge noch weiter optimiert werden. Kunden wünschen sich mehr Transparenz und Überblick über ihre Finanzlage und die Angebote der Finanzindustrie können noch besser in die Angebote anderer Anbieter integriert werden.
Doch sind die Zeiten von jungen, sogenannten Challenger Banken nicht schon vorbei? Was wird das Angebot der nächsten Challenger Banken sein? Wie kann eine Challenger Bank schnell beweisen, dass es für ihr Angebot einen Markt gibt? Und wie identifiziert man dann seine neuen Kunden effizient und einfach? Dieser Artikel beantwortet die Fragen und stellt einige These hierzu auf.
Challenger Banken profitieren von der Umsetzung neuer Entwicklungsmethoden
Challenger Banken profitieren von der Umsetzung neuer Entwicklungsmethoden, niedrigen Hierarchien und dem kompromisslosen Einsatz moderner Technologie: Unter Challenger Banken versteht man relativ kleine und junge Banken, die mit den traditionellen Banken in Konkurrenz stehen und sich von diesen insbesondere durch einen Einsatz von Finanztechnologie abgrenzen, wie beispielsweise einem reinen Online-Zugang zum Konto, d.h. dem Fehlen von (physischen) Filialen. Insofern gab es schon immer "Challenger Banken". Jedoch hat es hier in den letzten zehn Jahren eine verstärkte Zunahme von Gründungen gegeben, die durch den rigorosen Einsatz der Möglichkeiten der Digitalisierung schnell wachsen konnten.
Häufig steht hier eine kundenzentrierte Banking App im Vordergrund, die den Kunden die Übersicht über ihre Finanzen und die Durchführung von Bankgeschäften erleichtern soll. Typisch ist auch eine Konzentration auf bestimmte Themen, wie etwa Zahlungsvorgänge, Wertpapierhandel oder die Verwahrung und der Handel mit Kryptowerten.
Ein wichtiger Vorteil der Challenger Banken gegenüber den etablierten Banken ist hierbei, dass sie nicht auf bestehende, gegebenenfalls ältere ("legacy") IT-Systeme aufbauen müssen und Prozesse von Anfang an digital aufsetzen können. Auch gehen sie häufig bei der Entwicklung agil, d.h. unter Einsatz von Scrum Projekt- und Produktmanagement vor, was die Entwicklung insgesamt schneller und effizienter macht.
Das erlaubt eine schnelle Verwirklichung von neuen Produkten und eine Konzentration auf den Kunden und seine Bedürfnisse.
Challenger Banken müssen Kreditinstitute sein
Autor: Dr. Andreas Driver, LL.M. (Georgetown University) ist Partner bei Fieldfisher im Bereich Gesellschaftsrecht mit 20 Jahren Erfahrung in der Beratung von internationalen und deutschen Mandanten, einschließlich Private Equity und VC Fonds, Banken und FinTechs. Außerdem begeistert er sich insbesondere für komplexe Verhandlungen und Transaktionen sowie für aktuelle Entwicklungen in der Finanzwelt wie etwa New Vertical Banking oder Embedded Finance.
Challenger Banken müssen Kreditinstitute sein, wenn sie selbst Bankdienstleistungen erbringen oder sich Bank nennen möchten: Wenn eine Challenger Bank Bankdienstleistungen erbringen und sich "Bank" nennen möchte, muss sie eine Erlaubnis als Kreditinstitut nach Kreditwesengesetz (KWG) haben.
Das setzt voraus, dass die Challenger Bank eine Geschäftsleitung hat, die die entsprechende Erfahrung, im Sinne einer fachlichen Eignung, eine ausreichende Kapitalausstattung (mindestens EUR 5m) und eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation aufweist. Das alles erfordert erhebliche Investitionen von Kapital und Zeit, die einem Start-Up meist nicht zur Verfügung stehen. Insbesondere stellt sich das Problem, dass eine Challenger Bank mit einem innovativen Geschäftsmodell erst noch beweisen muss, dass es für dieses einen Markt gibt, d.h. dass es Kunden gewinnen kann und langfristig betrachtet Gewinne erzielen wird. Es besteht also die Gefahr, dass man mit erheblichem Aufwand zuerst eine Organisation aufbaut, um erst dann, festzustellen, dass das Geschäftsmodell nicht tragfähig ist, wenn man mit der Erlaubnis an den Markt geht.
Banking as a Service erlaubt Challenger "Banken" Kunden Bankdienstleistungen anzubieten
Banking as a Service erlaubt Challenger "Banken" Kunden Bankdienstleistungen anzubieten, ohne selbst Bank zu sein: Hier hilft das Banking as a Service (BaaS) Modell. Anstatt selbst eine Bank zu werden, kooperiert die Challenger Bank als Partner mit einer etablierten Bank. Der Partner kann sich hier auf die Gewinnung und den Kontakt zu seinen Kunden konzentrieren, während die Bank, quasi im Hintergrund, die Abwicklung der Bankgeschäfte besorgt.
Der Partner ist also für die Kundengewinnung, zum Beispiel mithilfe von Werbung und digitalen Kampagnen, zuständig. Er entwickelt und betreibt die Banking App und Webseite, über die man mit dem Kunden kommuniziert und er bietet den (first level) Kundenservice an, der den Kunden bei Fragen unterstützt. Die Bank hingegen ist für die eigentlichen Bankgeschäfte zuständig, zum Beispiel die Kontoführung, das Kartengeschäft und den Zahlungsverkehr. Die Bank, oder ein weiteres reguliertes Institut (im Folgenden auch als Bank bezeichnet), kann außerdem zum Beispiel Wertpapierhandel, Handel mit Kryptowerten und Kryptoverwahrung, Kredite und Fremdwährungsgeschäfte anbieten.
Aus rechtlicher Sicht setzt das voraus, dass die Kunden für die Bankgeschäfte Kunden der Bank sind, das heißt einen Vertrag mit der Bank abschließen. Auch wenn das Angebot an den Kunden primär unter der Marke des Partners erbracht wird (z.B. durch Nutzung der Webseite, die vom Partner gestaltet und betrieben wird), muss dem Kunden dennoch auf der Webseite und in anderer Kommunikation offengelegt werden, dass sein Vertragspartner für die Bankdienstleistungen die Bank ist, nicht der Partner.
Aus regulatorischer Sicht hervorzuheben ist hierbei, dass die Bank im Rahmen ihrer Leistungen für die Kunden keinen Weisungen des Partners unterliegt. Beispielsweise bei der Frage, ob bestimmte Kunden akzeptiert, ob Kredite gewährt werden oder ob das Vertragsverhältnis gekündigt werden sollte, darf die Bank frei entscheiden. Das Angebot des Partners stellt hierbei zum großen Teil eine Auslagerung von Aktivitäten und Prozessen, die für die Durchführung von Bankgeschäften wesentlich sind, dar. Soweit über die klassischen Bankdienstleistungen hinaus auch Wertpapierdienstleistungen erbracht werden, tritt der Partner üblicherweise als vertraglich gebundener Vermittler auf. Das erfordert eine noch engere Anbindung. Sowohl als Auslagerungsdienstleister als auch als vertraglich gebundener Vermittler unterliegt der Partner den Weisungen der Bank.
Banking as a Service kann sich also auf das komplette Angebot von Banken und Wertpapierinstituten beziehen. Oft wird der Partner einem Kunden aber nur einzelne regulierte Dienstleistungen anbieten wollen, zum Beispiel Zahlungsdienste, Kreditkarten oder Wertpapiergeschäfte. Wenn insoweit keine Kreditinstitute, sondern Zahlungsdienstleister (wie z.B. Zahlungsinstitute oder E-Geld-Institute) oder Wertpapierinstitute für den Partner agieren, kann man von BaaS im weiteren Sinne sprechen.
Es wird verstärkt Challenger Banken im Bereich Vertical Banking geben
Es wird verstärkt Challenger Banken im Bereich Vertical Banking und bei Embedded Finance geben: In der Praxis ist zu beobachten, dass die Gründung von Challenger Banken im Sinne von Anbietern von Bankdienstleistungen für die breite Öffentlichkeit deutlich abnimmt. Auch im Bereich des Wertpapierhandels und des Handels von Kryptowerten dürfte eine gewisse Sättigung des Marktes eingetreten sein. Das bedeutet aber nicht das Ende von BaaS.
Vielmehr gibt es immer mehr (auch internationale) Anbieter von BaaS. Durch aktuelle Gründungen kommen jetzt verstärkt Angebote für bestimmte Kundengruppen (wie z.B. bestimmte Berufsgruppen, Geschlechter, Altersgruppen) auf den Markt. Hier spricht man vom sogenannten Vertical Banking, weil man versucht, einem bestimmten Marktsegment Finanzdienstleistungen nach deren Bedarf und im vollen Umfang anzubieten. Hiervon verspricht man sich ein für den Kunden verbessertes, weil maßgeschneidertes Angebot. Zudem bietet sich die Möglichkeit, weitere Produkte (wie z.B. Versicherungen, Kredite, Factoring) anzubieten, die ggf. höhere Margen bieten als das klassische Bankengeschäft.
Eine weitere Entwicklung für BaaS ist das sogenannte Embedded Finance. Hier werden (regulierte) Banken- und Finanzdienstleistungen in das Angebot von anderen Unternehmen integriert, wie z.B. Zahlungsmöglichkeiten, Kundenkreditkarten oder Finanzierung und Versicherungen für das online gekaufte Produkt. Auch hier wird das entsprechende Unternehmen selbst nicht der Regulierung unterliegen wollen, sondern sich eines BaaS-Anbieters bedienen. So vielfältig hier die möglichen Dienstleistungen sind, so divers sind auch die möglichen BaaS Anbieter, die nicht notwendigerweise Banken im Sinnes des KWG sein müssen, sondern zum Beispiel auch Wertpapierinstitute oder Zahlungsdienstleister, wie E-Geld-Institute sein können.
Dynamische Entwicklung bei den Identifizierungsmöglichkeiten nach Geldwäscherecht
Sowohl bei der Aufsicht also auch dem technischen Angebot gibt es eine dynamische Entwicklung bei den Identifizierungsmöglichkeiten nach Geldwäscherecht: Da die BaaS-Partner den Kunden ein digitales Produkt bieten und meist schnell wachsen wollen, müssen die BaaS-Anbieter ihre Dienste ebenso soweit wie möglich digital (d.h. ohne Medienbruch) anbieten, so dass Interessenten möglichst einfach Kunden werden können.
Eine Herausforderung ist hierbei, dass Banken ihre neuen Kunden gem. europäischem und deutschem Geldwäscherecht identifizieren müssen. Während man dies früher durch Vorlage eines Ausweises in der Filiale erledigte, ist jetzt für Onlinebanken die Video-Identifizierung üblich. Es ist aber auch möglich, sich mit der eID Funktion des Personalausweises zu identifizieren, oder mit qualifizierter elektronischer Signatur, wobei man allerdings noch eine Referenzüberweisung von einem bestehenden eigenen Bankkonto vornehmen muss.
Auch können elektronische Identitäten von Banken oder anderen Anbietern für die Kunden quasi gespeichert werden, damit zum Beispiel Banken sich bei Kontoeröffnung auf die zuvor vorgenommene Identifizierung verlassen können. In diesem Bereich ist zurzeit zu beobachten, dass sich europäische Aufsichtsbehörden dem Thema verstärkt annehmen und auch die Anbieter an einer Verbesserung arbeiten. Die Entwicklung hierbei ist auch entscheidend für und abhängig vom Erfolg bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und des Gesundheitswesens.