Welches Land ist Ihrer Auffassung am nächsten an einem CBDC und warum?
Dr. Stefan Hoops: Bahamas ist bereits seit letztem Jahr live mit dem Sand Dollar. Die Ostkaribik ist seit April diesen Jahres mit einem Pilot live. Unter den großen Zentralbanken ist China am weitesten. Dort wurde in zehn Städten getestet mit insgesamt 8 Testrunden. Das bedeutet mehr als 55,000 Unternehmenswallets und mehr als 3,6 Millionen individuelle Wallets in Action. Es ist geplant den digitalen Yuan zur Winterolympiade 2022 großflächig auszurollen. In Europa ist Schweden am weitesten; sicherlich auch getrieben durch den starken Rückgang der Bargeldnutzung.
Ralf Wintergerst: China hat sehr früh angefangen, das Thema digitales Zentralbankgeld auf seine Agenda zu setzen. Die Volksrepublik plant, bereits zu den Olympischen Spielen 2022 eine digitale Währung in Umlauf zu bringen. Stand heute hat die chinesische Zentralbank bereits eine Reihe an Pilotierungen durchgeführt und den Einsatz im Feld in unterschiedlichen Anwendungsfällen durchgespielt. So sind in den vergangenen Monaten mehrere große Unternehmen Kooperationen mit der Zentralbank eingegangen, um den E-Yuan zu erproben.
Wieweit sind wir in Europa?
Dr. Stefan Hoops: Die EZB hat im Oktober 2020 ihren ersten Report zum digitalen Euro veröffentlicht. Daran angeschlossen gab es eine 3-monatige Konsultationsphase, in der sowohl Privatpersonen als auch Vertreter der (Finanz-)Wirtschaft Feedback geben konnten. Im Juli diesen Jahres soll die Entscheidung getroffen werden, ob die EZB ein Projekt zum digitalen Euro starten möchte. Es sieht aktuell ganz danach aus, als würde die EZB ihre Zusage zum Start des Projekts geben. Erste Projektphase wäre eine zwei-jährige Design-Phase, gefolgt von einer 2-3-jährigen Implementierungsphase. Wir gehen also davon aus, dass es ca. 2025/26 auch in der Eurozone eine digitale Zentralbankwährung geben wird
Wenn China schon so weit ist, was ist die Motivation in Europa?
Ralf Wintergerst: Die Einführung einer digitalen Zentralbankwährung ist kein Phänomen einzelner Länder. Weltweit beschäftigen sich mehr als 80 Prozent der Zentralbanken mit dem Thema. Sie reagieren damit auch auf Entwicklungen im Ökosystem Bezahlen, die eine immer digitaler werdende Welt mit sich bringt: Da ist zum einen das durch die Corona-Pandemie weiter verstärkte, wachsende Angebot an elektronischen oder internet-basierten Bezahloptionen. Zum anderen gibt es den Aufstieg sogenannter Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum oder Ripple. Und nicht zuletzt machen privatwirtschaftliche Akteure wie Facebook Diem den Vorstoß, eigenes digitales Geld global anzubieten.
Als Gegenstück und Ergänzung zu Bargeld mit Banknoten und Münzen wollen die Zentralbanken digitales Geld schaffen, das dieselben Eigenschaften wir Bargeld hat – es ist ein gesetzliches Zahlungsmittel, allzeit und ohne Registrierung, auch ohne Konto einsetzbar und universell akzeptiert. In Europa treibt daher die EZB die Pläne für die Einführung eines digitalen Euros voran. Es ist wichtig, dass sie sich des Themas mit Nachdruck annimmt, damit Europa seine finanz-, währungs- und wirtschaftspolitischen Souveränität für die Zukunft sichert.
Dr. Stefan Hoops: Die Motivation einen digitalen Euro voranzutreiben ist sicherlich in Teilen auch von den Bemühungen der Chinesen rund um den digitalen Yuan getrieben. Die Diskussionen rund um CBDC haben immer auch eine geopolitische Dimension und die EZB, sowie die europäischen Regierung, haben ein Interesse daran die internationale Rolle des Euro zu stärken und die monetäre Souveränität zu sichern. Die EZB erwähnt eine mögliche Konkurrenz von Geldformen, die nicht in Euro denominiert sind als einen möglichen Grund für die Einführung eines digitalen Euros.
Dazu gehören sicherlich ausländische CBDC, aber auch Stablecoins, allen voran das im Juni 2019 angekündigte Libra-Projekt von Facebook, das mittlerweile den Namen Diem trägt. Des Weiteren solle eine europäische CBDC auch der Stärkung der internationalen Rolle des Euros und der Sicherung der Unabhängig der europäischen Wirtschaft dienen Weitere Gründe für die Einführung eines digitalen Euro laut EZB Report betreffen die Unterstützung der Digitalisierung, den Rückgang der Bargeldnutzung, oder der Durchsetzung von geldpolitischen Maßnahmen.
Wenn China mit seiner Digitalwährung kein Freund der Privatsphäre ist, wie will man Europa überzeugen, diese zu nutzen?
Ralf Wintergerst ist Vorsitzender der Geschäftsführung von Giesecke+Devrient (G+D). Neben seinen Aufgaben als Group CEO ist er zuständig für die Zentralbereiche Informationssysteme, Konzernsicherheit, Compliance Management und Revision, Unternehmenskommunikation, Mergers & Acquisitions, Unternehmensstrategie sowie -entwicklung, Recht und Corporate Governance. Darüber hinaus ist er in mehreren Funktionen mit Bezug zu IT-Sicherheitsfragen tätig, z.B. als Beiratsvorsitzender der vom BSI initiierten Allianz für Cyber-Sicherheit.
Ralf Wintergerst: Derzeit geht es darum, die Rahmenbedingungen und Regularien für die Einführung eines digitalen Euros im Euroraum zu definieren und eine digitale europäische Währung zu konzipieren. Entsprechend der Ergebnisse aus dem öffentlichen Konsultationsverfahren der EZB spielen bei der Ausgestaltung die Themen Privatsphäre, Datenschutz und Sicherheit eine zentrale Rolle. Einigkeit gibt es dazu, dass ein digitaler Euro nur erfolgreich sein kann, wenn er den Bedürfnissen der Europäer entspricht. So hat auch das Vorstandsmitglied Fabio Panetta bestätigt, dass die EZB die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger erfüllen möchte, die in der öffentlichen Konsultation hervorgehoben wurden.
Dr. Stefan Hoops: Vor allem in Metropolen werden Händler den digitalen Yuan als Zahlungsmittel anbieten, um Touristen aus China zu bedienen. Abgesehen davon erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der digitale Yuan von europäischen Konsumenten genutzt wird. Privatsphäre war mit 43 Prozent die am häufigsten gewünschte Eigenschaft eines digitalen Euros in der Konsultation der EZB. Den europäischen Bürgern ist Privatsphäre also sehr wichtig, weswegen der digitale Yuan bei Endnutzern eher auf Ablehnung stoßen sollte. Europäische Verbraucher hätten wahrscheinlich mehr Vertrauen in eine europäische Digitalwährung. Wie beim europäischen Euro die Privatsphäre geregelt und gewahrt wird, ist noch unklar. Uns ist es sehr wichtig, den Wunsch nach Privatsphäre zu unterstützen.
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Teil 2 der Diskussion folgt am 20.05.2021