Entweder ändern sich die rechtlichen, steuerlichen oder regulatorischen Bedingungen und erfordern eine Anpassung der (Weiter-)Bildungsstrategie. Oder der Gesetzgeber zwingt die Finanzdienstleister generell, die Mitarbeitenden nur noch auf einem bestimmten Level einzustellen (Beispiel Sachkunde) oder dieses Level laufend zu aktualisieren im Sinne eines Weiterbildungsnachweises. Diese regulatorischen Anforderungen werden von den Ambitionen der Mitarbeiter und ihren Wünschen nach Weiterbildung begleitet. Diesem Anspruch sind in der Realität vor allem monetäre Grenzen gesetzt, die Budgets sind eher klein und werden als erste begrenzt, wenn gespart werden muss. Es liegt daher in der Natur der Sache, dass die Parameter Weiterbildungsanspruch, Zielsetzung und geringes Budget häufig entgegengesetzte Punkte in einem Dreieck sind.
Thomas Kohrs ist als Senior Programm Manager bei der Frankfurt School of Finance & Management verantwortlich für die Entwicklung und Durchführung von Weiterbildungsprogrammen im Bereich Executive Education und dort für das Themenfeld Asset Management. © Frankfurt School of Finance & Management
Beispiel: Sachkunde nach WpHG
Die notwendigen Anforderungen an einen Mindeststandard im Bereich Sachkunde beschäftigen uns spätestens seit der Finanzkrise 2008. Alle Beschäftigten in der Anlageberatung sind immer wieder neu gefordert, ihre Kompetenzen aufzufrischen. Sie müssen wissen, welche Produkte zu ihren Kunden passen, ob sie für die jeweilige Lebensphase empfehlenswert und welche Maßstäbe für diese Empfehlung anzulegen sind. Dieser Anspruch wurde in der Vergangenheit von vielen Verantwortlichen in Banken unterschätzt. Unisono wurde festgestellt, dass die Mitarbeitenden in der Lage sind, die Anforderungen zu erfüllen. Die Herausforderung liegt aber häufig im Kleingedruckten der Gesetzestexte.
Die Mitarbeiter können im Beratungsalltag und im (Vertriebs-)ergebnis so gut sein, wie sie wollen. Wichtig ist, welchen Abschluss sie besitzen, wie sie ihr Fachwissen im Laufe der Zeit aktuell gehalten haben und ob sie das auch nachweisen können. Es steht außer Zweifel, dass ein gelernter Bankkaufmann oder eine gelernte Bankkauffrau aus dem Abschlussjahr 2005 ohne entsprechende Aktualisierungen durch Weiterbildung kaum noch up to date sein dürfte, wenn es um bestimmte rechtliche oder steuerliche Rahmenbedingungen geht. Hier können wir schon die erste Herausforderung für die Banken festhalten. Auch wenn die Unterlagen irgendwo in der Personalabteilung vorliegen, so müssen Finanzdienstleister häufig erst erheben, welchen Abschluss die Mitarbeitenden haben. Oder aber es muss langwierig untersucht und festgelegt werden, welche anderweitigen Ansprüche an eine regelmäßige Weiterbildung bestehen, um ein bestimmtes Level zu halten, wie zum Beispiel beim Certified Financial Planner, CFP. Vielfach müssen Banken sogar die Mitarbeitenden selbst nach ihren Weiterbildungen fragen, weil die Daten in der Bank nicht mehr verfügbar sind. Die Feststellung des vorhandenen Bildungs-Status-Quo setzt also den ersten Anker für eine erfolgreiche Weiterbildungsstrategie.
Nachhaltigkeit ist das Thema
Bleiben wir beispielhaft bei einem Thema, das der Gesetzgeber derzeit in vielen Bereichen forciert und welches auch für Finanzdienstleister eine entsprechende Bedeutung entfaltet – Nachhaltigkeit. Dabei ist der hier behandelte nur ein Aspekt einer Fülle von Anforderungen an Finanzdienstleister. Seit 2022 müssen beispielsweise in einem Beratungsgespräch auch Nachhaltigkeitspräferenzen abgefragt werden. Wurde bisher in der Geeignetheitserklärung in der Anlageberatung angegeben, ob und warum das anzulegende Produkt das richtige ist, wird dies nun um den Aspekt der Nachhaltigkeit ergänzt: Jeder Anlageinteressierte muss genau Auskunft darüber geben, welche nachhaltigen Ziele mit der Geldanlage verfolgt und welche Bereiche priorisiert werden sollen.
Nur noch empfehlen, was als nachhaltig empfunden wird?
Die angebotenen und empfohlenen Finanzprodukte müssen die persönlichen Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger berücksichtigen. Das ist anspruchsvoll, denn die Bereiche der Nachhaltigkeit in den Spannungsfeldern Umwelt, Soziales und Governance (ESG) sind weit gefasst. Zudem beinhalten sie eine Stufenskala für Firmen, die nur ein Minimum an Wirtschaftstätigkeiten im Sinne der dafür maßgeblichen EU-Taxonomie-Verordnung beinhalten. Die anspruchsvollste Voraussetzung sind dabei die Tätigkeiten, bei denen mit der Investition ein hoher Einfluss auf die Nachhaltigkeitstätigkeit vorgenommen werden kann. Das liest sich nicht nur anspruchsvoll, es ist auch anspruchsvoll. Und das ist nur der Bereich der Anlageberatung. Das Thema Nachhaltigkeit zieht innerhalb einer Bank aber noch viel weitere Kreise? Muss nicht auch das Controlling eingebunden sein? Wird gegebenenfalls auch geprüft, welche Firmenkunden die Bank hat, welche Kredite oder Vorhaben finanziert werden? Welche Geschäftsaktivitäten unterstützt die Bank also direkt oder indirekt, wird das auf Nachhaltigkeit geprüft? Wie positioniert sich die Bank beispielsweise bei der Finanzierung von Kohlekraftwerken im In- und Ausland? Diese wenigen Fragestellungen öffnen das gesamte Spannungsfeld für einen Finanzdienstleister, der sich hier entsprechend positionieren muss.
Wer muss die neuen MiFID Vorgaben anwenden?
Es stellt sich somit nicht mehr die Frage, wer die neuen Regelungen anwenden muss. Wer bisher MiFID II angewandt hat, wird dies auch zukünftig mit den ergänzten Regeln tun müssen. Dazu zählen alle mit der Anlageberatung Beschäftigten in Banken und Versicherungen, freie Finanzvermittler, Marktbetreiber und die Dienste, die sich beispielsweise mit Research beschäftigen. Interessant wird, wann sich die Banken im Jahr 2022 diesem Thema auch in Sachen Weiterbildung widmen. Bisher ist das Echo in vielen Finanzhäusern noch zurückhaltend – vielleicht in der Hoffnung, dass sich Neuerungen und Veränderungen im Rahmen halten. Manche mögen es wie ein Déjà-vu empfinden, wenn sie sich an die Einführung der modifizierten Rahmenbedingungen von MiFID in 2010 erinnern. Jedoch mussten und müssen diese und alle anderen Vorgaben der vergangenen Jahre äußerst ernst genommen und sorgfältig umgesetzt werden. Rechtzeitig vorbereiten und rechtzeitig die Weichen stellen ist das Gebot der Stunde. Nachhaltigkeit ist kein Vertriebsthema, sondern setzt eine Änderung im Mindset voraus, die uns deutlich mehr beschäftigen muss als MiFID II. Auch die BaFin hat hier bereits eindeutig Stellung bezogen und stellt individuelle Anforderungen. Spätestens im Prüfungsjahr 2023 heißt es für Banken in Sache Nachhaltigkeit Farbe bekennen und so manches Haus könnte hier eine böse Überraschung erleben.
Genaue Bedeutung für die Banken im Regeldschungel
Kommen wir aber zurück zu den eigentlichen Regelungen, die mit dem Nachhaltigkeitsthema einhergehen. Es gibt unterschiedliche Regelungen, in deren juristischem Dickicht man sich zurechtfinden muss. Hier ist insbesondere die Offenlegungs-Verordnung wichtig, in der neue Transparenzanforderungen an die Anlageberatung aufgestellt werden. Diese müssen darlegen, welche Nachhaltigkeitsrisiken sie bei den Investitionsprozessen bisher berücksichtigen oder einbeziehen – positiv wie negativ. In der Taxonomie-Verordnung dagegen werden Kriterien festgelegt, inwieweit eine Wirtschaftstätigkeit überhaupt als ökologisch nachhaltig angesehen werden kann. Welchen Beitrag leistet das Unternehmen mit seiner Tätigkeit für die vorgegebenen Umweltziele. Mit diesen Taxonomie-Kriterien soll der Grad der Nachhaltigkeit der jeweiligen Investition des Kunden bestimmt werden. Diese Bestimmungen gehen mit MiFID II einher und geben die Richtschnur für das nachhaltige Handeln in der Anlageberatung vor.
Handeln!
Handeln müssen alle Beteiligten. Für alle in der Finanzwirtschaft Tätigen bedeutet dies mehr denn je, sich mit allen Facetten der Nachhaltigkeitsvorgaben intensiv zu beschäftigen und sich weiterzubilden, um dieses Thema qualifiziert abzudecken. Das betrifft alle Bereiche in einer Bank. Von der Anlageberatung, über die Aufsicht, Compliance und Controlling, das Firmenkundengeschäft bis hin zum Zahlungsverkehr. Dazu gibt es eine klare Abfolge der Aufgaben:
- Feststellung des Levels der Ausbildung (Lehre, Bachelor, Master, Diplom etc.)
- Klare Dokumentation aller Weiterbildungsmaßnahmen, die die Mitarbeiter bereits absolviert haben und welche Level diese haben
- Klare Zuordnung der Aufgaben und Feststellung des Ausbildungsanspruchs für die entsprechenden Tätigkeiten, also ein klares Anforderungsprofil
- Zuweisung der zukünftigen Weiterbildungsmaßnahmen
- Festlegung des Budgets
Dieser grobe Ablaufplan gilt natürlich nicht nur für die Anforderungen des Nachhaltigkeitsthemas, sondern ist in der Regel für alle Themen anzuwenden. Eine Verteilung von Weiterbildungen als Incentivemaßnahme oder nach dem Gießkannenprinzip ist schon aus ökonomischen Gründen nicht zielführend. Ein Festhalten am Budget, unabhängig von der fachlichen Anforderung, ist es ebenso wenig. Wer hier spart, spart an der falschen Stelle und zahlt am Ende drauf.