Interviewpartner Dr. Thorsten Völkel ist Vorstandsvorsitzender des Software- und Beratungshauses PPI.
Herr Dr. Völkel, Sie bieten Payment-as-a-Service-Lösungen: Was verbirgt sich dahinter, und wie profitieren Finanzdienstleister und deren Kunden von diesem Modell?
Dr. Thorsten Völkel: Im Zahlungsverkehr besteht bei vielen Banken in Europa ein enormer Investitionsstau. Gerade die Infrastrukturen für den internationalen Zahlungsverkehr sind teilweise über 20 Jahre alt und nur sehr unzureichend auf die neuen Herausforderungen vorbereitet. Die anstehende ISO-Migration verschärft die Problematik noch einmal deutlich. Banken müssen sich dieser Herausforderung zeitnah stellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn nun aber eine Erneuerung der Infrastruktur ansteht, bieten sich natürlich cloud-basierte Payments-as-a-Service-Lösungen an. Die Migration einer Zahlungsverkehrsplattform ist ein komplexes Unterfangen, das aber, richtig umgesetzt, Kosten senkt, die Effizienz steigert und die Einführung neuer Zahlungsverkehrsprodukte und -anwendungen vereinfacht. Unser PPI-eigenes Cloud-Angebot für den Zahlungsverkehr ergänzt unser Portfolio aus Beratung und Softwareprodukten sinnvoll und garantiert unseren Kunden Innovations- und Skalierungsfähigkeit. Die Fachlichkeit in der IBM Cloud for Financial Services sorgt zudem dafür, dass alle regulatorischen Anforderungen verlässlich erfüllt werden. Die Kunden der Häuser profitieren wiederum von einem besseren Service, der schnelleren Einführung neuer Produkte und besseren Unterstützung ihrer eigenen Geschäftsprozesse.
Gibt es bereits Kunden, die solche PaaS-Lösungen nutzen?
Dr. Thorsten Völkel: Ja. Erster Kunde war zusammen mit unserem Partner Broadridge die Hamburg Commercial Bank (HCOB). Dort ist nach nur zwölf Monaten Projektlaufzeit der Auslandszahlungsverkehr auf der Plattform in Betrieb gegangen. Im Juli dieses Jahrs ist dann der SEPA-Massenzahlungsverkehr zusammen mit allen Zugangskanälen live gegangen. Als letztes werden wir in der ersten Jahreshälfte 2023 noch Instant Payments einführen. Zuerst steht aber die ISO-Migration an, die aber aufgrund unser modernen und ISO-nativen Plattform problemlos verlaufen sollte.
Die Kombination aus marktführender Plattform und fachlicher sowie technischer Kompetenz gab auch für eine der britischen Neobanken den Ausschlag, denn für ihre Expansion in den EU-Raum benötigt die Bank eine Anbindung an die CSM-Infrastruktur der EBA Clearing– insbesondere an das Echtzeitzahlungssystem RT1 für SEPA Instant Payments und die STEP2-Plattform für den regulären SEPA Zahlungsverkehr. Wir haben diesen Anschluss zusammen mit unserem Partner Intercope in nur kurzer Projektlaufzeit auf Basis unseres Cloud-Angebots realisiert und Anfang September in Produktion genommen. Die Lösung bietet zudem die Möglichkeit, die Interbankkommunikation noch auf weitere Netze und Verfahren auszudehnen. Solche Lösungen werden in naher Zukunft an Bedeutung gewinnen, weil wir zeitnah von einer Regulierung zur verpflichtenden Unterstützung von Instant Payments ausgehen.
Interviewpartner Andreas Wodtke ist Vice President Banking bei IBM Deutschland.
Thema Cross-Border-Vorhaben bei gleichzeitiger Migration in die Cloud: Das klingt extrem komplex. Wie unterstützt PPI ihre Kunden dabei?
Dr. Thorsten Völkel: Ja, solche internationalen Projekte sind nicht nur technisch, sondern auch auf der Compliance- und Legal-Ebene komplex. Unser Geschäftsmodell besteht darin, Banken die gesamte Wertschöpfungskette im Zahlungsverkehr als Software-as-a-Service zu ermöglichen. Das modulare Portfolio reicht dabei von der Bereitstellung und dem Betrieb der IT-Infrastruktur bis hin zu vielfältigen Services.
Andreas Wodtke: IBM blickt auf jahrzehntelange Erfahrung in der Finanzbranche zurück und kann die notwendige IT-Betriebs- und Transaktionssicherheit sowie eine hohe Verfügbarkeit gewährleisten, die für geschäftskritische Anwendungen benötigt wird. Wir sind damit in der Lage, anspruchsvollen Kunden wie der PPI eine verlässliche Cloud-Lösung anzubieten. Die IBM Cloud erfüllt Vorgaben des Datenschutzes und der Bankenregulierung, auch weil wir seit Jahren in engem Austausch mit den zuständigen Aufsichtsbehörden stehen.
Die Verlagerung von Bankdienstleistungen in die Cloud nimmt erst langsam Fahrt auf. Nicht zuletzt spielten Bedenken bezüglich der strengen Regulatorik im Finanzumfeld eine Rolle bei diesem Zögern. Sind diese berechtigt, oder ist die Cloud inzwischen sogar eher Enabler bei der Erfüllung regulatorischer Auflagen?
Andreas Wodtke: Es ist richtig, dass Finanzdienstleister und Banken in besonderem Maß globale Sicherheits- und Regulierungsvorgaben berücksichtigen müssen. Gleichzeitig müssen sie neue, wettbewerbsfähige Angebote für ihre Kunden schaffen. In der gesamten Finanzbranche setzen Unternehmen deshalb zunehmend auf Cloud-Strategien, um Innovationen, Skalierungsfähigkeit und Datensicherheit in Einklang zu bringen. Unstrittig ist, dass regulatorische Vorgaben sehr hohe Sicherheitsstandards erforderlich machen und so dazu beitragen, diese zu etablieren. Und es gibt auch keine Vorschriften, die den Einsatz von neuen Technologien wie der Cloud verbieten, was selbst die BaFin immer wieder betont hat. Naturgemäß sind aber noch wenig Erfahrungswerte und etablierte Prozesse vorhanden, daher mag der Aufwand größer wirken, als er dann tatsächlich ist. Es ist wahrscheinlich eher so, dass vielfach noch Unsicherheit dahingehend besteht, ob eine angedachte Cloud-Lösung den regulatorischen Anforderungen der Aufsichtsbehörden genügt. Deshalb haben wir die Parameter, die unseren Kunden einen regelkonformen Weg in die Cloud ermöglichen, mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt. Das „EBA Cloud Compliance Certificate“ ist das aktuelle Beispiel dafür: Wir haben die Leitlinien der EBA zu Auslagerungen direkt in unseren IBM-Vertragsbedingungen für Banken gespiegelt.
Welche Parameter muss eine Cloud-Lösung erfüllen, um im Banking-Sektor zum Einsatz zu kommen? Fiel die Wahl aus einem bestimmten Grund auf die IBM Cloud?
Dr. Thorsten Völkel: Der Finanzsektor stellt sehr hohe Anforderungen an eine Cloud-Infrastruktur, man darf auch nicht vergessen, dass wir hier immer über eine wesentliche Auslagerung einer Bank sprechen. Hier spielen sowohl regulatorische Aspekte als auch der Datenschutz eine entscheidende Rolle. So ist beispielsweise ein Zugriff auf Daten von außerhalb der EU auszuschließen. Das hört sich auf den ersten Blick sehr einfach an. Viele Hyperscaler können aber nur unzureichend steuern, von wo aus operative Servicetätigkeiten ausgeführt werden. Die Verlagerung von Regeltätigkeiten in Offshoring-Standorte ist in diesem Kontext auch nicht wirklich hilfreich. Mit der IBM Cloud haben wir aber eine Lösung, die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen genügt und damit für den Produktionsbetrieb für Finanzinstitute geeignet ist.
Und natürlich spielt in einer guten Partnerschaft auch Vertrauen und langfristige Verlässlichkeit eine wichtige Rolle. Gerade für uns als Mittelständler sind das Werte, für die wir bei unseren Kunden stehen. Mit IBM haben wir einen Partner an der Seite, mit dem wir diese auch mit unserem neuen Cloud-Angebot weiter vertreten können.
Andreas Wodtke: Es gibt mehrere Möglichkeiten. Bei einem Hybrid-Cloud-Ansatz entscheidet eine Bank in Bezug auf Workload oder Anwendungsfall, ob sie etwas im eigenen Rechenzentrum, in der IBM Cloud oder Clouds anderer Anbieter betreiben will. Im Beispielfall der britischen Neobank liegt die komplette Anwendung inklusive der Daten in der IBM Cloud. Diese bietet den Vorteil, dass sie regulatorische Anforderungen erfüllt, ob es nun die Vorgaben der DSGVO oder der BaFin sind. Das macht sie für Banken und Finanzdienstleister attraktiv. Auch die BNP Paribas vertraut ihre Workloads deshalb der IBM Cloud an. Wir erwarten, dass in den nächsten Jahren ein Großteil der Kunden auf Cloud-Modelle wechseln wird.
Wie sehen Sie den Markt für Payment-as-a-Service und wie stellt sich die PPI dazu auf?
Dr. Thorsten Völkel: Wie bereits erwähnt haben viele Banken größere Investitionen in ihre Zahlungsverkehrsinfrastruktur noch vor sich. In diesem Zuge sollte der Lösungsraum nicht nur in einem reinen Ersetzen der Altsysteme bestehen. Vielmehr bietet sich die Chance, auch die Prozesse und die Leistungsfähigkeit des eigenen Geschäfts auf eine neue Stufe zu heben. Cloud-basierte Ansätze bieten dabei viel Flexibilität, weil dadurch ein Teil der Komplexität mit Blick auf die Infrastruktur entfällt. Gerade mit Blick auf die bereits jetzt bestehende Ressourcenknappheit an Fachkräften ermöglicht dies, die bestehende Kapazität auf das eigentliche Kerngeschäft der Bank zu fokussieren: die Betreuung der Kunden, die Entwicklung und den Vertrieb neuer Produkte sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung des Geschäfts.
PPI, Softwarehaus und Dienstleister für Banken und Versicherungen, bietet seit 2021 über eine Tochtergesellschaft ihre Zahlungsverkehrslösungen auch als SaaS in der Cloud an. Dafür wird die IBM Cloud genutzt.
https://www.ppi.de/payments/
https://www.ibm.com/de-de/industries/banking-financial-markets/core-banking-digital-transformation