Mit Chatbots rund um die Uhr erreichbar

Ein Artikel von Michael Baldauf, Director Solutions Consulting FSI, Pegasystems | 22.07.2022 - 09:00
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Mit Chat- und Sprachbots können Banken eine große Zahl an Service-Anfragen schnell und zuverlässig bearbeiten  © mohamed Hassan @Pixabay

Onlinebanking ist für die meisten Menschen inzwischen selbstverständlich, doch auch für Service-Anfragen, die Abgabe von Formularen oder eine persönliche Beratung wollen die wenigsten Kunden heute noch eine Bankfiliale aufsuchen. Die Geldhäuser dünnen daher ihre Filialnetze aus und erweitern ihre Digitalangebote kontinuierlich. Allerdings können diese die hohen Erwartungen, die Kunden aufgrund guter Erfahrung mit digitalen Services in vielen Lebensbereichen gemacht haben, nicht immer erfüllen. Oft sind wichtige Informationen auf den Websites versteckt, bieten Apps nur einen eingeschränkten Funktionsumfang und lassen sich manche Dinge weiterhin nur mit Hilfe von Bankberatern oder Service-Agenten klären. Die Wartezeiten in Hotlines sind deshalb häufig lang.

Eine zunehmend beliebte Möglichkeit, den Kundenservice auf den digitalen Kanälen nachhaltig zu verbessern, sind Chat- und Sprachbots. Die kleinen Helfer lassen sich leicht in Websites sowie Banking- und Messaging-Apps integrieren, aber auch in Hotlines einsetzen. Banken sollten jedoch darauf achten, die einzelnen Bots nicht unabhängig voneinander zu entwickeln, da das den Entwicklungsaufwand deutlich vergrößert und die kontinuierliche Pflege der Anwendungen und Regelwerke erschwert. Ideal ist erfahrungsgemäß eine Umsetzung mit Low-Code, die durch die Wiederverwendung bereits erstellter Bot-Bausteine schnell und kostengünstig ist. Nutzen die Bots unabhängig vom Kanal dieselbe KI und dasselbe Regelwerk, brauchen Anpassungen nur einmalig zentral vorgenommen werden, wenn sich Geschäftsregeln, rechtliche Vorgaben oder interne Prozesse ändern.

Üblicherweise bleiben Chat- und Sprachbots auf das Retail-Business beschränkt. Dort ist der Handlungsdruck aufgrund der großen Kundenzahlen besonders hoch und es liegen ausreichend Daten für das Training der Algorithmen vor. Im Firmenkundengeschäft und Wealth Management sind nicht nur die Kundenzahlen geringer, sondern auch die Problemstellungen individueller und komplexer, sodass sie sich nicht so gut automatisiert bearbeiten lassen. Zudem bevorzugen beide Kundengruppen meist persönliche Ansprechpartner.

Bots sind mehr als FAQ-Vorleser

Bei Privatkunden sind Chat- und Sprachbots weitgehend akzeptiert, weil sie Probleme schnell und präzise lösen und rund um die Uhr ohne Wartezeiten verfügbar sind. Idealerweise beantworten sie nicht nur einfache Fragen – dafür würden in den meisten Fällen auch FAQ oder ein Hilfebereich genügen. Stattdessen sollen die Bots durch geschickte Rückfragen ein Anliegen immer weiter eingrenzen und, sobald sie ein hohes Konfidenzniveau erreicht haben, eine Lösung anbieten: sei es eine konkrete Hilfestellung bei einem technischen Problem, die Beantwortung einer spezifischen fachlichen Fragestellung oder die Einleitung einer Aktion wie einer Adressänderung. Auf diese Weise helfen die Bots nicht nur den Kunden, sondern entlasten auch die Mitarbeiter.

Kann der Bot ein Anliegen nicht erkennen, eine Frage nicht beantworten oder eine Aktion nicht einleiten, zieht er einen Berater oder Service-Agenten hinzu. Dem liefert er übersichtlich aufbereitet alle ermittelten Informationen, sodass der menschliche Kollege nicht alles erneut erfragen muss und den Sachverhalt in kurzer Zeit erfassen kann. Das funktioniert aber nur, wenn der Bot mit einem leistungsstarken Case-Management verknüpft ist, in dem er für jede Kundenanfrage einen Case anlegt und vorhandene Kundendaten mit der Kundenhistorie und den problemspezifischen Daten verbindet. Damit erspart er dem Kunden überdies das Angeben von Informationen, die der Bank eigentlich schon vorliegen.

Gerade in der Anfangszeit wird ein Bot häufiger auf menschliche Hilfe angewiesen sein, doch im Laufe der Zeit lernt er aus den Antworten und Problemlösungen der Berater und Service-Agenten. Dadurch verbessert er sich schrittweise und kann immer mehr Anfragen komplett eigenständig bearbeiten. Wichtig ist, dass er beim Abschluss seiner Cases alle Informationen ins Kundenservice-Tool zurückspielt, damit dort lückenlos erfasst ist, wann Kundenkontakt bestand, auf welchem Kanal und wegen welchen Anliegens. 

Persönlichkeit schadet nicht, Penetranz hingegen schon

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Chatbots verstehen mehrere Sprachen und kommunizieren auf natürliche Art und Weise, um die Anliegen von Kunden zu erfassen und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen © Pegasystems

Einer der Schlüssel für den Erfolg von Chat- und Sprachbots ist KI – nicht nur beim Ermitteln der Kundenanliegen und passenden Problemlösungen, die auf den Service-Bereich spezialisierte Algorithmen erfordern. Auch die Spracherkennung und Sprachgenerierung hängt von einer ausgereiften und vielseitigen KI ab. In den vergangenen Jahren hat die Technik hier enorme Fortschritte erzielt, wodurch sowohl Chat- als auch Sprachbots mittlerweile alle gängigen Sprachen beherrschen. Websites, Apps und Hotlines lassen sich dadurch barrierefreier und besser zugänglich für Kunden gestalten, die kein Deutsch sprechen oder Seheinschränkungen haben.

Selbst mit Dialekten kommen Bots heute gut zurecht. Sie verstehen gängige Mundarten und können sie sogar sprechen. Für Regionalbanken eröffnet das die Möglichkeit, ihren Sprachbot im Dialog mit Dialekt sprechenden Kunden ebenso antworten zu lassen. Überhaupt schadet den Bots ein wenig Persönlichkeit meist nicht und kann zur Interkation motivieren sowie das Service-Erlebnis verbessern.

Grundsätzlich sollten Bots jedoch höflich, lösungsorientiert und unaufdringlich auftreten. Kaum etwas nervt Kunden so sehr wie ein Chatbot, der sich schon nach wenigen Sekunden zu Wort meldet oder immer wieder penetrant seine Unterstützung aufdrängt. Besser ist es, den Bot gut auffindbar zu platzieren und Kunden nur in offensichtlichen Problemsituationen aktiv anzusprechen – beispielsweise wenn sie auffällig lange und scheinbar ziellos in einem Website- oder App-Bereich herumklicken, weil sie etwas suchen. In solchen Situationen verhindert der Chatbot, dass sie die Website oder App frustriert verlassen, weil sie eine Information, ein Formular oder eine Funktion nicht finden.

Darüber hinaus dürfen Chat- und Sprachbots nicht den Anschein erwecken, sie wollten den Kundenberater oder Service-Agenten ersetzen – oder gar vorgeben, ein Mensch zu sein. Beides kann Kunden verärgern und dazu führen, dass sie versuchen, dem Bot das Leben schwer zu machen, zum Beispiel durch eine undeutliche Aussprache. Gute KI-Lösungen vermögen mit entsprechendem Training, Ärger oder Frust beim Gegenüber zu erkennen, und übergeben den Chat oder das Gespräch dann in der Regel an einen Mitarbeiter.

Kontext ist Trumpf

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Autor Michael Baldauf ist Director Solutions Consulting FSI bei Pegasystems.   ©  © Pegasystems

Eine der großen Stärken von KI-basierten Bots ist, umfangreiche Datenmengen aus unterschiedlichsten Quellen in Sekundenbruchteilen zu verarbeiten. Dadurch können sie viel besser als Menschen die verschiedensten Kontextinformationen im Kundendialog berücksichtigen und in ihren Service einfließen lassen. Im einfachsten Fall weiß ein Chatbot etwa schon anhand des Website- oder App-Bereiches, aus dem der Kunden den Kontakt aufnimmt, um welches Thema es ungefähr geht. Ebenso liefern die Kundendaten und die Kundenhistorie wertvolles Hintergrundwissen für individuell gestaltete Dialoge, Angebote und Problemlösungen. So vermeiden Banken es beispielsweise, ihren Kunden eine Anlageoption vorzuschlagen, die diese bereits nutzen. Oder sie bieten Kunden passgenaue Kreditkonditionen, in die neben der Kredithöhe, Bonität und den Sicherheiten auch die Kundentreue, die bisher mit dem Kunden erzielten Umsätze und sogar die Konditionen der Wettbewerber einkalkuliert wurden.

Letztlich verhelfen Chat- und Sprachbots Banken nicht nur zu einem schnelleren und besseren, sondern auch einem persönlicherem Kundenservice – und tragen damit in Zeiten, in denen ihnen durch Fintechs und Betreiber von Internetplattformen neue Konkurrenz erwächst, zu einer stärkeren Kundenbindung bei.