Tischgespräch Teil I

Wie Banken die Übersicht über IT-Schwachstellen behalten

Ein Artikel von Stefanie Walter, Fachredakteurin | 01.03.2022 - 09:27

Dies muss rechtzeitig erkannt und ­abgewehrt werden. Application Performance Management, Performance Engineering, Software Intelligence, Oberservability oder Process Mining sind hier die neuen Schlagwörter. Ein ganzheitlicher Überblick über alle ­Anwendungen ist hilfreich, um Schwachstellen aufzulösen und um Kapazitäten freizuschaufeln für Innovationen im Geschäft. Im gi-Geldinstitute-Tischgespräch wird diese Thematik von Experten durchleuchtet. 

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Christian Meusel, Leiter Betrieb- und  Prozessorganisation, Berliner Volksbank © Berliner Volksbank

Was sind für Sie die Hauptgründe, Prozesse zu optimieren? 

Meusel: Als Bank müssen wir in erster Linie Dienstleistungen für unsere Kunden erbringen. Sie sind unser Haupttreiber. Wir in der Betriebsorganisation investieren daher aktuell insbesondere intensiv in Usability und direkte Verfügbarkeit. 

Demski: Wir wollen Medienbrüche vermeiden und Prozessübergänge in einzelne Abteilungen verschlanken und verbessern. Die Arbeit an der Prozessverbesserung hat sich durch die Pandemie noch ein bisschen beschleunigt. Es ist aber ein grundsätzliches Thema, mit dem wir uns im Rahmen der Digitalisierung beschäftigen. Bei unserem letzten Projekt stand die Geschwindigkeit der Kreditprozesse im Fokus. Unser Ziel ist es, nicht nur schnell Entscheidungen herbeizuführen, sondern auch dafür zu sorgen, dass diese möglichst fehlerfrei sind.

Gratenberg: Es geht uns darum, Prozesse schneller, aber aus Kundensicht auch effizienter zu gestalten. Wir haben in den letzten zwei Jahren viel Zeit und Analyse in die Automatisierung und Optimierung der Bestandskunden-Prozesse gesteckt. Hierfür wurde auch ein agiles Squad gegründet. Im Squad anaysieren wir, wo es noch weitere Potenziale gibt, um Prozesse zu optimieren und zu automatisieren. 

Werne: Ziel unserer Prozessautomatisierung ist es, so kundenfreundlich wie möglich zu sein. In Deutschland erbringen wir etwa 50 Prozent der ­gesamten Bargeld-Logistik. Wir garantieren somit die Bargeldversorgung der Bevölkerung und sichern den Liquiditätskreislauf von Unternehmen nehmen, Kreditinstituten und Kommunen. Bei unserer Zusammenarbeit mit den Banken möchten wir die Transformation vorantreiben. In unserer Gruppe treiben wir die Optimierung der IT-Outsourcing-Prozesse des gesammten Cash-Managements und Projekte wie die Kryptoverwahrung voran. Mit Prosegur Crypto ­haben wir eine Lösung für die Verwahrung und Verwaltung digitaler Vermögenswerte auf den Markt gebracht, die ohne Internetverbindung automatisiert funktioniert, um maximalen Schutz gegen Cyber-Angriffe zu erreichen.

Meyer: Die Union Investment hat heute zwei gute Gründe, um Prozesse zu optimieren – die Steigerung der Prozesskosten-Effizienz und das Aufsichtsrecht. Im Rahmen von aufsichtsrechtlichen Prüfungen sind wir als einer der führenden deutschen Asset Manager gefordert, eine Geschäftsprozesslandkarte als Bestandteil der schriftlich fixierten Ordnung herzustellen. Das Resultat gefällt mir: Durch Einsatz moderner Process ­Intelligence Tools erkennen wir Prozessschwächen, die es zu optimieren gilt. Zugleich produzieren wir bankaufsichtsrechtlich geforderte Prozessmodelle. Die  Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers bestätigte uns eine Verfügbarkeit von 99 Prozent (2021) für die im Investmentprozess eingesetzten 170 Applikationen. Als Teil der Genossenschaftlichen FinanzGruppe sind wir mit über 400 Milliarden Euro Assets under Management der Experte für das Asset Management von 4,8 Millionen privaten und institutionellen Anlegern. Die hierfür erforderliche IT stellen wir über 1.100 Union internen Anwendern somit hochverfügbar bereit.

Diener: In meiner Funktion bei Atruvia, dem Digitalisierungspartner der Genossenschaftlichen FinanzGruppe, verantworte ich die Messung und Analyse von Performancedaten für rund 820 angeschlossene Volks- und Raiffeisenbanken. Grundsätzlich muss man bei der Prozessoptimierung zwei Themen unterscheiden: den betriebswirtschaftlichen und den technischen Teil. 

Wenn ich zurückdenke an die Anfänge meiner Arbeitszeit Anfang der 80er, da gab man arbeitsunterstützend in den alten IBM-Terminals einen Short Code ein und freute sich, Millisekunden später eine Antwort zu erhalten. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich hier vieles massiv verändert. Betriebswirtschaftliche und technische Performance rückten zusammen. Die IT ist ein zentrales Herzstück des Arbeitsalltags und wesentlicher Bestandteil der gesamtheitlichen Prozessoptimierung geworden. Neben der Beschäftigung mit Geschwindigkeit, Antwortzeiten oder der reinen Prüfung, ob Systeme verfügbar sind, legt man nun mehr Wert auf User Experience und User Behaviour. Wie geht es dem Kunden, was macht er, wo hat er Probleme, in der Anwendung weiterzukommen? 

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Gerrit von der Hardt, Abteilungsmanager Kundenservice Projekte & Prozesse, Prokurist, Targo © Targo

Wo liegen die Heraus­forderungen?

Von der Hardt: Herausforderungen stellen sich vor allem bei sehr langen Prozessstrecken über verschiedene Schnittstellen mit Kanalbrüchen. Dann muss man aus verschiedensten Systemen, Datenbanken oder Prozessbereichen, Informationen zusammenbauen. Denn es ist schwierig, mit einem sechzigprozentigen Blick etwas zu optimieren, ohne zu wissen, wie der hundertprozentige End-to-end-Kundenblick aussieht. Ziel ist, nicht in kleinen Puzzlesteinen zu denken, sondern die gesamte Customer Journey im Blick zu haben.

Werne: In der Pandemie steht unser Prozessmanagement noch vor der zusätzlichen Herausforderung, dass beispielsweise Händler oder Bank­filialen, die wir mit Bargeld versorgen, heute hier schließen und morgen woanders wieder öffnen. Vor dem Hintergrund unseres aktuellen Moder­nisierungsprogramms, stellen wir zudem alles auf die Cloud um. Da wir global tätig sind, spielen Abstimmungen zwischen den verschiedenen Ländern und Vereinheitlichungen eine zusätzliche Rolle. 

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Thorsten Demski, Leiter IT, Volksbank Bielefeld-Gütersloh © Volksbank Bielefeld-Gütersloh

Wo kann Prozess­­opti­mierung am besten angewendet ­werden? 

Meusel: Die Marktfolge ist ein extremer Treiber für Effizienzpotenziale. Mit konsequenten Optimierungen und Konsolidierungen konnten wir die gebundenen Ressourcen in den letzten Jahren signifikant reduzieren, nicht nur durch die Lösungen der ­Atruvia, sondern auch durch einen breiten Einsatz technischer Innovationen anderer Partner im Bereich Automation. Trotzdem sehen wir weiterhin Themen mit großen Potenzialen, beispielsweise in der Passivmarktfolge, Stichwort Nachlass, Pfändungsbe­arbeitung und weitere Zahlungs­verkehrsdienstleistungen. Auch die ­Aktiv-Marktfolge erlebt bekanntlich momentan ein hohes Wachstum im Kreditgeschäft. Gleichzeitig schmelzen die Margen dahin. Wir müssen also weiter sehr intensiv schauen, wie der Spagat aus Ressourcenoptimierung und Geschäftswachstum ermöglicht werden kann, zum Beispiel mittels Prozessmanagement. Hier nutzen wir natürlich die Analysemöglichkeiten der Atruvia zu unseren Prozesszeiten und versuchen, über stetige Vorgangs­weiterentwicklung, die notwendigen Benchmarks zu erreichen. 

Demski: Wir haben auch in der Marktfolge angefangen. Im neuen Jahr nehmen wir bei der Prozessanalyse nochmal den Kunden-Service in den Blick. Daraus können wir den größten Gewinn ziehen. Das Vorgehen ist dabei zunächst eine genaue Aufnahme der Prozesse und deren Schnittstellen. Auf Grundlage dessen bewerten wir dann, welche Optimierungs- und/oder Automatisierungsschritte sinnvoll sind. Beispiele für die Automatisierung sind auch bei uns die Nachlassbearbeitung und Pro­zesse rund um das Online-Banking.

Von der Hardt: Die Targobank gehört zur genossenschaftlichen Crédit ­Mutuel Alliance Fédérale Gruppe aus Frankreich. Wir sind eine Privat- und Geschäftskundenbank mit Schwerpunkt auf Finanzierungen. Unsere Prozessoptimierung bezieht bezieht sich auf diese Kernprozesse. Mit ­Targo Dienstleistung haben wir ein leistungsstarkes Kundencenter in Duisburg, entstanden aus einer Industrialisierungs-Initiative Ende der 90er Jahre. Die Targobank verfügt über mehr als 20 Jahre Expertise in der ­Digitalisierung und Prozessautomatisierung. Dabei profitiert sie von einem  großen IT-Dienstleister und sieht sich im wettbewerbsintensiven Finanzdienstleistungsmarkt für die Zukunft gut gerüstet. 

Gratenberg: Im Bestandskundenmanagement haben wir zum Beispiel große Teile des Konto-Auflösungsprozesses automatisiert. Das läuft jetzt schon seit über einem Jahr bei uns sehr gut. 

Werne: Im Hinblick auf Bargeld be­findet sich die Bankenwelt schon seit geraumer Zeit in einem Transforma­tionsprozess. Verschiedene Kredit­institute sourcen zwecks Prozessoptimierung und aus Kostengründen ihr Cash Management bereits vollständig aus. Mit Smart Machines, die Prosegur bei seinen Kunden installiert, kann Bargeld direkt entsorgt und taggleich gutgeschrieben werden. Die smarte Infrastruktur, inklusive eines dynamischen Monitorings und Forecastings, optimiert die Bargeldlogistik und reduziert Kosten.

Meyer: Bereits im Zeitraum 2007 bis 2010 haben wir eine konzernübergreifende Digitalisierungsinitiative sehr erfolgreich umgesetzt. Zusammen mit den Zentralinstituten der DZ 

Bank Gruppe, über 18 Depotbanken und annähernd 90 Wertpapierhandelshäusern konnten wir dabei länder- und standortübergreifend eine Dunkelverarbeitung von 95 Prozent für das Transaktionsmanagement und die Buchhaltungsbereiche erzielen – beides Bereiche, bei denen die Faktoren Masse und Standardbearbeitung passten. Herausfordernd war dabei die Vereinheitlichung von Nachrichtenstandards in den Netzwerken für Finanztransaktionen wie z. B. SWIFT und FIX und der erste Einsatz von Machine Learning basierten ­Applikationen für die Verarbeitung noch papierhafter Buchungen. Heute geht es darum, den Einsatz von KI im Rahmen von Machbarkeit und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen zu prüfen und damit weitere Effizienzpotenziale zu realisieren.

Diener: Prozesse sind bei Banken sehr unterschiedlich organisiert. Unsere Aufgabe sehen wir darin, Werkzeuge zu liefern, mit denen unsere Kunden die Prozesse abbilden, optimieren und überwachen können. Es reicht nicht mehr, einzelne Use Cases anzuschauen vom Klick bis zur vom Kunden erwarteten Information auf der Maske. Geschäftsprozesse werden als Ganzes betrachtet. Man fragt sich, was lässt sich automatisieren? Natürlich immer unter Berücksichtigung der Regulatorik. Beim Thema technische Performance ist in den letzten Jahren viel passiert. Neue Technologien wie Virtualisierung, Containerisierung, Self-Healing-Systems – Systeme, die sich selbst verwalten, haben Einzug gehalten. Die Verarbeitung einer Anfrage im Datacenter ist komplexer und dynamischer geworden. Es ist wichtig, diese neuen Möglichkeiten für den Kunden erlebbar zu machen und ihn bei der Prozessoptimierung zu unterstützen.

Teil II des Digitalen Expertengesprächs können Sie hier nachlesen.