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Die Vorteile von Machine Learning für Banken

Ein Artikel von Tim T. Mack, Experte für maschinelles Lernen bei Q_Perior | 22.02.2021 - 07:58
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Tim T. Mack, Experte für maschinelles Lernen bei Q_Perior © WWW.FOTO-SCHWABING.DE

Künstliche Intelligenz (KI) ist ein wichtiges Zukunftsthema. Doch während andere Wirtschaftssektoren und die Forschung schon lange auf diese Technologie setzen, arbeiten bisher nur wenige Banken aktiv damit: Gerade einmal neun Prozent der Geldhäuser haben bereits KI-Anwendungen in ihre Prozesse integriert. Auf der anderen Seite stuft fast die Hälfte die KI derzeit noch als irrelevant für ihr Geschäft ein. Das zeigt die Studie „Digital Outlook 2025 Financial Services oder wie Banken und Versicherer den digitalen Wandel gestalten wollen?“ von Q_Perior, dem Analysehaus Lünendonk und weiteren Unternehmensberatungen.


Hinzu kommt, dass andere drängende Themen zahlreiche Banken davon abhalten, sich intensiv mit dem sinnvollen Einsatz von KI zu beschäftigen – etwa die weiter zunehmende Regulatorik, der Wettbewerbsdruck oder auch Mangel an qualifizierten Fachkräften für Digitales. So herrscht weiterhin viel Nachholbedarf. Eins ist sicher: Der Einsatz von KI wird im modernen Banking über kurz oder lang unumgänglich sein.

Warum Maschinelles Lernen große Vorteile für Banken hat

Künstliche Intelligenz ist ein weites Feld. Besonders interessant für Banken ist beispielsweise das maschinelle Lernen oder Machine Learning (ML): Im Kern geht es darum, aus Daten neue Informationen durch Erfahrung zu generieren. ML-Modelle leiten aus vorhandenen Daten Gesetzmäßigkeiten und Muster ab, die sich wiederum verallgemeinern lassen. Werden diese Muster dann auf neue, unbekannte Datenbestände angewendet, können sie auch hier Problemstellungen lösen. Auf diese Weise lassen sich zahlreiche Routine-Anwendungen im Banking optimieren, wie beispielsweise Kreditentscheidungen, Risikomanagement und Betrugserkennung.

ML-Algorithmen erkennen Zusammenhänge aus repräsentativen historischen Datenquellen. Das kann dabei helfen, die Kreditwürdigkeit eines Kunden zu bewerten. Ein Beispiel: Besucht ein Kunde regelmäßig Spielkasinos, ist die Gefahr eines Kreditausfalls bei ihm höher als bei anderen Kunden mit sonst gleichen Voraussetzungen. Indem der Algorithmus solche Informationen berücksichtigt, lernt er, Personen mit ähnlichen Profilen dennoch unterschiedlich hohen Kreditrisikogruppen zuzuordnen – eine wichtige Information für den Bankberater.

Mithilfe leistungsfähiger und erklärender ML-Modelle, die das gesamte Verfahren der Entscheidungsfindung ersetzen, könnten Bankberater objektive Entscheidungen treffen und so dafür sorgen, dass jeder Kunde fair und auf seine Situation angepasst behandelt wird.


Tim T. Mack, Experte für maschinelles Lernen

Mit Algorithmen komplexe Vorgänge vereinfachen

Prinzipiell lässt sich ML gut auf alle Tätigkeiten anwenden, die Routinecharakter haben, vorhersehbar sind oder ein hohes Automatisierungspotenzial haben. Denn sie liefern ausreichend Daten, aus denen die Algorithmen lernen können. Damit kann ML Vorhersagen generieren, Empfehlungen und Entscheidungen aussprechen, Erkennungsaufgaben bewältigen und Daten aufbereiten.

Wichtig dabei ist immer der Kompromiss zwischen Komplexität und Erklärbarkeit: Da ML-Modelle immer vielschichtiger werden, neigen sie oft dazu, Algorithmen mit einfacheren internen Darstellungen in der Modellleistung zu übertreffen. Diese komplexeren Modelle haben zwar oft den Nachteil, schwer erklärbar zu sein. Doch gerade für die Finanz- und Bankenbranche ist es sehr wichtig, eine Vorhersage plausibel erklären zu können.

Denn Finanzinstitutionen sind gesetzlich verpflichtet, alle Details offenzulegen, die während eines Entscheidungsprozesses berücksichtigt wurden. Ein Beispiel: Bei einem abgelehnten Darlehensantrag reicht es nicht, die Entscheidung mit „weil der Algorithmus es gesagt hat“ zu begründen.

Die Lösung dafür heißt Explainable Artificial Intelligence (XAI): Dieser relativ neue Forschungszweig der KI konzentriert sich auf die Entwicklung von Verfahren und Algorithmen, die in der Lage sind zu erklären, wie sie zu einer bestimmten Vorhersage gekommen sind. Ein Ansatz von XAI ist beispielsweise das Erklärungsmodell LIME (Local Interpretable Model-agnostic Explanations). Mithilfe von LIME können diejenigen Inputvariablen ermittelt werden, die am stärksten für das Vorhersageergebnis des Modells verantwortlich sind.

Objektive Entscheidungen treffen

Machine Learning kann nicht nur Standardprozesse verbessern, sondern auch die derzeitigen ethischen Standards innerhalb der Bank einhalten. Denn oft dienen die Ergebnisse regelbasierter Systeme – etwa ob eine Person einen Kredit erhält und wie hoch der Kreditzins sein wird – nur als Orientierungshilfe für den Kreditsachbearbeiter.

Das macht Kreditentscheidungen oft sehr subjektiv. Mithilfe leistungsfähiger und erklärender ML-Modelle, die das gesamte Verfahren der Entscheidungsfindung ersetzen, könnten Bankberater absolut objektive Entscheidungen treffen und so dafür sorgen, dass jeder Kunde fair und auf seine Situation angepasst behandelt wird. So zeigt sich, dass Algorithmen aus den zunehmend großen Datenmengen von Banken wertvolle Informationen für Entscheidungsprozesse generieren können.

Zwei Dinge sind nötig, um KI-Modelle erfolgreich in Banken zu implementieren: eine stabile organisatorische und technische Infrastruktur sowie eine gute Datengrundlage.  Beides spielt für die Auswahl der richtigen Algorithmen eine zentrale Rolle – es gibt keinen Universalalgorithmus. Vielmehr gilt: Je nach Art der Problemstellung und der Anwendung gibt es Algorithmen, die besser oder weniger gut funktionieren.

Deshalb erfordert die sorgfältige Auswahl große Expertise über die zu verwendenden Daten, die jeweiligen Algorithmen, die Probleminstanzen und die Domäne. Beispielsweise hilft ein umfassendes Auswahlschema von Algorithmen, das alle möglichen Auswahlfaktoren sowie Anwendungen und Bereiche einer Bank abdeckt, die bestmöglichen Algorithmen schnell und zuverlässig zu verwenden. Gerade um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Banken mit KI-Einsatz zu erlangen, ist der richtige Algorithmus entscheidend für die Leistungsfähigkeit des KI-Systems.

Daher gilt: Um KI und maschinelles Lernen sinnvoll zu implementieren, müssen Banken die nötigen digitalen Prozesse in die Wege leiten. Sie sind daher gut beraten, diese Aufgabe schnellstmöglich anzugehen.