Geld- und Wertdienstleister haben eine zentrale Funktion im Bargeldkreislauf. Sie stellen den Schutz der physischen Transporte zwischen Bundesbank, Kreditinstituten und Handel sicher. Es liegt also im ureigensten Interesse der Geld- und Wertdienstleister, sich auf Not- und Krisenfälle ausreichend und angemessen vorzubereiten. Was ist hier der Status-quo in Deutschland?
Michael Mewes: Ohne den Einsatz der Wertdienstleister käme der Bargeldkreislauf in Deutschland zum Erliegen und die Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld wäre nicht möglich. Diese wichtige Rolle der Wertdienstleister hat dazu geführt, dass die Unternehmen grundsätzlich als kritische Infrastruktur eingestuft worden sind und bei Erreichung definierter Grenzwerte der KRITIS-Verordnung unterliegen. Die Unternehmen sind damit auf Basis dieser Verordnung gesetzlich zu umfangreichen Maßnahmen verpflichtet, um ihre Arbeitsfähigkeit zu sichern.
Darüber hinaus gilt die Beauftragung von Wertdienstleistern durch die Kreditinstitute gemäß den Vorgaben der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) herausgegebenen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) als wesentliche Auslagerung. Damit gelten umfangreiche Vorgaben für die Dienstleistersteuerung und -überwachung und insbesondere müssen auch Regelungen für Not- und Krisenfälle mit den Wertdienstleistungsunternehmen vereinbart werden. Für größere Kreditinstitute gelten zudem noch die sehr umfangreichen Guidelines der European Banking Authority (EBA).
Und um dieses Vorgabenpaket noch abzurunden, sind die Mitgliedsunternehmen unserer Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW) auf die Einhaltung der Regelungen des gemeinsam beschlossenen BDGW-Sicherheitsstandards verpflichtet, der den Unternehmen ebenfalls umfassende Vorsorgemaßnahmen für Not- und Krisenfälle vorgibt.
Alles in allem existieren also umfangreiche Regelungen, an denen sich die Wertdienstleister orientieren und die die Grundlage für die Notfallplanungen der Wertdienstleister bilden. Auf dieser Basis haben die Unternehmen unternehmensbezogene BCM-Konzepte entwickelt, die zudem durch kundenindividuelle Maßnahmenpapiere ergänzt werden.
Gefahren im Bargeldkreislauf
Welche Stelle ist Ihrer Erfahrung nach die gefährdetste Stelle im Bargeldkreislauf?
Michael Mewes: Im Hinblick auf den Angriff krimineller Akteure ist der Bargeldkreislauf grundsätzlich an allen Stellen gefährdet, an denen Angriffe aussichtsreich erscheinen. Momentan liegt da ein deutlicher und öffentlichkeitswirksamer Schwerpunkt bei den Angriffen auf Geldausgabeautomaten, hier sind die Zahlen in den letzten Jahren bedauerlicherweise stark gestiegen. Es gibt umfangreiche Aktivitäten der Kreditinstitute, der zuständigen Innenministerien, der Polizei sowie weiterer Beteiligter, dieses Geschehen in den Griff zu bekommen.
Aber diese Taten sollten natürlich nicht den Blick verstellen auf das Gesamtgeschehen. Ausweislich der jährlichen Kriminalitätsstatistik (PKS) gab es im Jahr 2021 ca. 4.000 Raubtaten, die sich gegen Örtlichkeiten gerichtet haben, mit denen die Täter eine Beuteerwartung verbinden. Die allermeisten Taten (ca. 3.600) haben sich dabei gegen Kassenräume, Geschäfte, Tankstellen etc. gerichtet, auf Kreditinstitute, Poststellen usw. gab es ca. 160 Angriffe, 91 Angriffe richteten sich gegen unprofessionelle Geldtransporte und nur zwei gegen professionelle Wertdienstleister. Generell ist festzustellen, dass unsere Präventionsarbeit der letzten Jahre sehr erfolgreich war. Dies gilt übrigens auch für die Kreditinstitute, hier sind die Fallzahlen auch seit Jahren deutlich rückläufig.
Und für alle Leser, die als Fans unbarer Zahlungsmittel meinen, ohne Bargeld gäbe es keine Kriminalität, hält die PKS auch wichtige Informationen bereit. Es gab ca. 76.000 Diebstahlsfälle unbarer Zahlungsmittel und fast 65.000 Fälle von Betrug bzw. Computerbetrug mittels rechtswidrig erlangter unbarer Zahlungsmittel.
Im Hinblick auf Not- und Krisenfälle ist die Versorgung der Bevölkerung der kritischste Prozess im Bargeldkreislauf. Hierauf müssen alle Akteure ihr Hauptaugenmerk legen, um nach Möglichkeit jedem Bürger Zugang zu Bargeld zu ermöglichen. Denn in so einer Lage ist Bargeld dass einzige resiliente Zahlungsmittel, mit dem tatsächlich auch gezahlt werden kann.
Leider entsteht gelegentlich der Eindruck, dass Bargeld von Kreditinstituten nicht geschätzt und alles ‚auf die Karte‘ gesetzt wird. Aber diese Entwicklungen sind falsch und gefährlich, wie sich in der Praxis vielfach gezeigt hat.
Ein Umdenken bei der Bargeldversorgung
Was hat Ihrer Ansicht nach mehr zu einem Umdenken in Sachen Bargeldversorgung geführt? Corona oder die politische Situation in der Ukraine?
Michael Mewes: Schon in der Finanzkrise 2007 ff hat sich gezeigt, dass Bargeld in Krisenzeiten für Bürger und Institutionen eine große Bedeutung hat. Die Nachfrage nach Bargeld ist seinerzeit weltweit sprunghaft angestiegen und die professionellen Bargeldakteure waren schwer beschäftigt, den Bargeldnachschub an allen Versorgungsstellen sicherzustellen. Ungeachtet der unberechtigten Angriffe auf das Bargeld während der Coronazeit ist die Nachfrage nach Bargeld zu Beginn dieser Krise ausweislich der Zahlen der Bundesbank sprunghaft um das vierfache angestiegen. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat dann erneut die Krisennachfrage nach Bargeld befeuert und zwar zum einen durch die Nachfrage der Bürger und zum anderen durch die große Zahl an Flüchtlingen.
Tatsächlich wird viel von dem nachgefragten Bargeld nicht für den täglichen Konsum, sondern eher aus Vorsorgegründen beschafft. Aber wie richtig die Menschen mit diesem Bedürfnis nach Sicherheit liegen, haben wir im letzten Jahr beim Ausfall tausender Zahlungsterminals in Deutschland gesehen. Die Bargeldzahlungen haben sich im Handel spontan verdoppelt, weil der Ausfall der Terminals durch Bargeldzahlungen kompensiert wurde. Ein großer Teil dieser Gelder kam offensichtlich aus den Bargeldreserven der Menschen, da die Nachfrage an den Geldautomaten nicht im gleichen Umfang gestiegen ist.
Die Bedeutung von Bargeld ganz besonders auch in Not- und Krisenzeiten ist vielfach belegt. Die Akteure im Bargeldkreislauf – allen voran die Deutsche Bundesbank – sind sich dieser Tatsache sehr bewusst. Sie arbeiten kooperativ und intensiv daran, den Bargeldkreislauf krisenfest zu erhalten und auch in Zeiten zurückgehender Bargeldnutzung die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Bargeld zu sichern.
Das neue Sicherheitsrahmenkonzept
Michael Mewes, Dipl.-Wirtsch.-Ing., ist seit 2004 m Vorstand der Cash Logistik Security. Er besitzt eine ausgewiesene Expertise in der Geld- und Wertbranche und ist im Vorstand des Branchenverbandes BDGW seit 2008. Sein Arbeits-Fokus: Administration, Efficiency Management und Prozessoptimierung.
Ein neues Sicherheitsrahmenkonzept soll den Bargeldakteuren, insbesondere den Geld- und Wertdienstleistern, ermöglichen, auf Sicherheitsszenarien mit den entsprechenden Konsequenzen zu reagieren und bereits vorhandene Krisenkonzepte anpassen zu können. Worauf legt das Sicherheitsrahmenkonzept besonderen Wert? Was sollten Banken hier wissen?
Michael Mewes: Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass nicht jeder Akteur für sich alleine denken muss und darf, sondern dass wir die Aufgabe der Sicherung des Bargeldkreislaufes als Gemeinschaftsaufgabe und ganzheitlich begreifen müssen. Dazu bietet die Studie viele Arbeitshilfen, um die individuelle Situation der eigenen Institution zu bewerten und die Schnittstellen zu anderen Akteuren in den Blick zu nehmen. Krisenvorsorge ist eine mühsame und zunächst nicht besonders fruchtbare Aktivität, erst im Fall der Fälle zeigt sich die Qualität der Vorbereitung.
Aber es geht auch nicht nur darum, im Krisenfall die Arbeitsfähigkeit zu sichern, indem man beispielsweise die Themen Kommunikation und Formularwesen vorgedacht hat. Es geht vielmehr auch darum, bei der generellen Geschäftsplanung die Bargeldinfrastruktur zu sichern und die eigene wie die übergreifende Ver- und Entsorgungslage im Tätigkeitsgebiet für das Alltagsgeschäft und für die Krisenlage handlungsfähig zu halten.
Bargeld ist das einzige resiliente Zahlungsmittel, aber ohne eine ausreichende und resiliente Bargeldinfrastruktur hilft uns diese Tatsache nicht weiter. Dies müssen alle Akteure verstehen und darauf hat ja auch die Bundesbank aktuell mahnend hingewiesen.
Blick in die Zukunft
Was erwarten Sie künftig von den Banken? Wo hätten Sie mehr Unterstützung?
Michael Mewes: Leider entsteht gelegentlich der Eindruck, dass Bargeld von Kreditinstituten nicht geschätzt und alles ‚auf die Karte‘ gesetzt wird. Aber diese Entwicklungen sind falsch und gefährlich, wie sich in der Praxis vielfach gezeigt hat. Dabei plädieren wir nicht für einseitige Festlegungen bzw. Präferenzen. Wir benötigen als Menschen vielmehr auch zukünftig einen Mix aus Zahlungsmitteln und dabei haben sowohl bare als auch unbare Zahlungsmittel ihren Platz. Wir werben bei den Kreditinstituten für eine entsprechende Grundhaltung.
Als Wertdienstleister erwarten wir eine konstruktive Zusammenarbeit bei den genannten Themen. Wichtig ist dabei auch ein gleichlautender Auftritt bei den Gesetzgebern mit der Forderung, in dem neuen KRITIS-Dachgesetz nicht nur Verpflichtungen zu normieren, sondern auch die Rechte der Kritis-Betreiber zu stärken. So ist es beispielweise von besonderer Bedeutung, für unsere Fahrzeuge Fahrerlaubnisse und Tankbevorrechtigungen zu erhalten, ansonsten steht die Bargeldversorgung schnell still.
Da die zurückgehende Nutzung barer Zahlungsmittel naturgemäß die Stückkosten für alle Aktivitäten rund ums Bargeld treibt, müssen wir zudem gemeinsam an effizienteren Techniken und Verfahren im Bargeldkreislauf arbeiten, um Bargeld auch wettbewerbsfähig zu halten.