Autor: Judith Jaisle ist Senior Managerin bei PPI.
Ende September 2022 veröffentlichte die Aufsicht die mit Spannung erwarteten Ergebnisse des bei den LSI zu Jahresbeginn durchgeführten Stresstests. Seit einigen Jahren bilden diese die Grundlage sowohl für die Geschäftsmodellanalysen der Bankenaufsicht im Peer-Group-Vergleich als auch für die institutsspezifische Eigenmittelempfehlung, bisher Eigenmittelzielkennziffer genannt.
Gegenüber den Ergebnissen von 2019 zeigt sich eine vorsichtigere Einschätzung der Rentabilität in den Planungen der Institute. Angesichts der aktuellen Zinssteigerungen lassen sich hier zwar mittelfristig Steigerungen erwarten, gleichzeitig besteht aber die Gefahr negativer Konjunkturentwicklungen mit entsprechenden Auswirkungen auf die künftigen Ergebnisse.
Resistenzermittlung
Co-Autor: Dr. Ute Vellbinger ist Managing Consultant bei PPI.
Das Stresstestszenario beruht auf einem starken Abschwung der Wirtschaft, dessen Auswirkung auf die Kapitalquoten anhand standardisierter Szenarien ermittelt wurde. Die Eigenmittelempfehlung hat die nationale Aufsicht so kalibriert, dass sich im Durchschnitt ein ähnlicher Wert im Vergleich zu 2019 ergibt. Bundesbank und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nutzen den LSI-Stresstest zur Ermittlung der Stressresistenz der deutschen Finanzinstitute im Rahmen der Bewertung der Kapitalrisiken. Im Fokus stand neben dem Planungsszenario vor allem das Zinsszenario +200bp-Schock. Grund dafür ist die tatsächliche Zinswende im Jahr 2022, die in der Regel in den Planungen der Institute nicht oder nicht so stark antizipiert wurde.
Durch die starke Standardisierung lassen sich die Ergebnisse hervorragend als Vergleichswerte nutzen. Daher sollte jede Bank ihre eigenen Ergebnisse nicht nur zur Vorbereitung der aufsichtlichen Gespräche nutzen. Vielmehr liefert eine ausführliche Analyse – auch in Relation zu entsprechenden Vergleichsgruppen – wichtige Erkenntnisse über die Einordnung der eigenen Strategie. Auch Vor- und Nachteile gegenüber den Wettbewerbern und mögliche Alleinstellungsmerkmale lassen sich daraus ableiten.
LSI-Stresstest im Kontext von SREP und MaRisk
Co-Autor: Frank Blass ist Partner bei ICnova. © rudolf
Die SREP-Methodik besteht aus vier Kernelementen: Der Geschäftsmodellanalyse sowie den Bewertungen von Governance und Risikomanagement sowie von Kapitalrisiken im Internal Capital Adequacy Assessment Process (ICAAP) und von Liquiditäts- und Kapitalrisiken im Internal Liquidity Adequacy Assessment Process (ILAAP). In den vergangenen Jahren ist vor allem die Geschäftsmodellanalyse immer stärker in den Fokus der Aufsicht gerückt, was sich nun auch im Entwurf zur 7. Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) deutlich niederschlägt.
Geschäftsmodellanalyse
Bei der Geschäftsmodellanalyse steht die kurz- bis mittelfristige Tragfähigkeit im Vordergrund. Im ersten Teil des LSI-Stresstests, (A1) Umfrage zur Ertragslage, wird daher die Gewinn- und Verlustplanung (GuV) der Institute und die Entwicklung unter fünf vorgegebenen Zinsszenarien abgefragt, bezogen auf einen fünfjährigen Prognosehorizont. Auf dieser Datenbasis lassen sich alle relevanten Ertragskennzahlen bestimmen, so etwa die Gesamtkapitalrentabilität (GKR) und die Cost Income Ratio. Durch die Standardisierung der Umfrage kann die Aufsicht die Werte sehr gut als Benchmark für einzelne Institute nutzen. Zur Vorbereitung eines Aufsichtsgesprächs ist es sinnvoll, die eigenen Ergebnisse mit den von der Aufsicht veröffentlichten Gesamtergebnissen sowie, soweit möglich, mit Werten einer geeigneten Peer Group zu vergleichen.
Auch die eigene Steuerung bekommt dadurch wichtige Hinweise. Schließlich ermöglichen die Daten einen tieferen Einblick und können bestimmte Effekte erklären. So wird etwa das Absinken der GKR im Jahr 2022 verständlich, wenn das Institut mit einer Erhöhung der Zinsen geplant hat und daher 2022 entsprechende Bewertungseffekte berücksichtigen muss.
Kapitalrisiken und Eigenmittelempfehlung
Zur Bewertung der Kapitalrisiken im ICAAP dient der Aufsicht der zweite Teil, (A2) Stresstest. Dort werden die Portfolios der Institute zum 31. Dezember 2021 eingegeben. Anhand dieser wird im adversen Szenario unter Anwendung vorgegebener Stresseffekte wie Zins-, Adressen- und Marktrisiko sowie sonstiger GuV-Positionen ein starker wirtschaftlicher Abschwung über einen dreijährigen Horizont hinweg simuliert. Das Jahr mit dem stärksten Effekt auf die harte Kernkapitalquote gegenüber dem Ausgangsjahr ist die Grundlage für die Ableitung der Eigenmittelempfehlung als zusätzlicher individueller Kapitalpuffer. Die Schwere des Kapitalquoteneffekts und die verbleibende harte Kernkapitalquote nach Stress sind ein wesentlicher Indikator für die Stressresistenz eines Instituts.
Insgesamt ist in der Betrachtung für alle LSI das dritte Jahr des Stresstests dasjenige mit dem größten Effekt. Im Vergleich zum Startjahr 2021 sinkt hier die harte Kernkapitalquote um 3,2 Prozent. Sofern die institutsindividuelle (Brutto-)Eigenmittelempfehlung den Wert des Kapitalerhaltungspuffers von 2,5 Prozent übersteigt, bildet die Differenz die zusätzliche institutsindividuelle (Netto-)Eigenmittelempfehlung.
Zum Verständnis der Kapitalquoteneffekte ist es sinnvoll, die kumulierten Effekte auf die einzelnen Risikoarten und bei Bedarf auch noch auf tiefere Ebenen zu betrachten. Ein Beispiel wäre die Forderungsklassenebene für das Adressrisiko. Auch hier hilft einem Institut wieder der Benchmarkvergleich zur Einordnung der Ergebnisse.
Ergebnisse nutzen
Aufgrund der Bedeutung der Ergebnisse im weiteren SREP sollten die Institute den LSI-Stresstest nicht als lästige Pflichtübung begreifen, sondern als wichtigen Baustein im Steuerungsprozess. Eine intensive Analyse der eigenen Daten, insbesondere im Vergleich zu geeigneten Peer Groups, ist sowohl zur Vorbereitung von Aufsichtsgesprächen als auch als Erkenntnisgewinn für die interne Steuerung empfehlenswert. Bei der Auswertung und Analyse kann es auch sinnvoll sein, externe Partner hinzuzuziehen, um einen unverstellten Blick zu gewährleisten.