Fintech & Bank: Erfolg mit erweiterten Geschäftsmodellen 

Ein Artikel von Aleksandar Jeremic und Ssonja Peter | 03.05.2021 - 10:07
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Autorin: Das Bankgeschäft kennt die Betriebswirtin und Bankkauffrau Ssonja Peter bis ins Detail. Seit 2000 hat sie in verschiedenen Führungspositionen in deutschen Großbanken den Wandel der Branche mitgestaltet. Aktuell ist sie als Senior Management Consultant bei Borisgloger Consulting gemeinsam mit einem Team kundenverantwortlich für ein Transformationsprojekt einer mittelständischen Bank sowie eines großen Automobilherstellers.

Diese Aufgabe wird zum Beispiel beim Analysieren der Lünendonk-Studie 2020 „Digital Outlook 2025: Financial Services – Strategien von Banken & Versicherungen für den Weg in eine digitale Zukunft“ deutlich. Demnach haben Banken nicht nur mit bisher bekannten Herausforderungen wie anhaltenden Niedrigzinsen und damit geringeren Erlösen sowie hohen Kosten für die Umsetzung der Regulatorik zu kämpfen. Mit der Krise ist auch der teilweise Verlust physischer Kunden-Kontaktpunkte hinzugekommen.

Dies war bisher ein wichtiger Grund für Kunden, bei einer Bank mit Filialnetz angebunden zu sein: den eigenen Berater bei Bedarf auch persönlich erleben zu können. Was sind nun die Alternativen für die Kunden? Der einfache Zugang zum Online-Banking reicht oft nicht mehr aus.

Das zwingt Banken dazu, vor einem hohen Innovationstempo von etwa Google, Amazon, Apple und Zahlungsdienstleistern wie PayPal, nachhaltige digitale Geschäftsmodelle aufzubauen, die den physischen Kontakt so ersetzen, dass Kunden ihn nicht vermissen – eine „Disziplin“, die vielen etablierten Playern Schwierigkeiten bereitet. So sind für viele Banken Technologien wie Künstliche Intelligenz, Process Mining und Robot Process Automation nach Angaben der Studie noch nicht relevant. Nur jede dritte Bank hat digitale Lösungen von FinTechs in ihr Produkt-Portfolio integriert. Wichtig sei, so die Studie, „einen Kulturwandel hin zu einer agilen und innovativen Organisation zu forcieren und, wenn notwendig, keine Rücksicht auf bestehende Geschäftsmodelle und Traditionen zu nehmen“.

EU-Taxonomie bricht Strukturen im Bankenwesen auf

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Autor: Aleksandar Jeremic ist gelernter Bankkaufmann, nach seinem BWL-Studium ist er von Köln nach Frankfurt gezogen. Dort war er in der Bankenbranche für Großprojekte verantwortlich, z. B. die Entwicklung von Filialmodellen oder die Implementierung von agilen Arbeitsweisen. Nach seinem Wechsel zum FinTech fino digital übernahm er dort die Geschäftsführung und verantwortet die Entwicklung und Vermarktung von Produktlösungen rund um das Thema Finanztransaktionen.

Im Umkehrschluss heißt das, Projekte und Prozesse abzustoßen, die diesem strategischen Wendepunkt nicht mehr standhalten – stattdessen könnte ein Ansatz sein, die Anzahl der Projekte zu halbieren und sich neu zu fokussieren. Dieser Schritt ist oft schmerzhaft und in der Konsequenz nicht einfach durchzuführen, legt aber den Grundstein für neues Wachstum und den sich daraus ergebenden Umbruch. So stellt neben der Digitalisierung insbesondere der Megatrend Nachhaltigkeit Banken vor große Herausforderungen: Regulierungsbehörden bestehen auf nachhaltigen Geschäftspraktiken und Finanzströme sollen nachhaltigen Prozessen folgen. Die sich anbahnende EU-Taxonomie definiert darüber hinaus ein Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und sieht ab 2022 eine verbindliche Umsetzung durch die Banken vor. Wie begegnen Bankhäuser dem Aufwand, der damit einhergeht? Beziehungsweise: Welche Banken sehen das als Chance? 

Die Lösung liegt technisch in einer flexiblen Datenauswertung, bei denen FinTechs unterstützen können. So fällt es ihnen mit ihrer Nischenspezialisierung und vereinfachten IT-Infrastruktur leicht, Kundenverhalten systematisch auszuwerten und Muster zu erkennen. Banken können dieses Wissen nutzen, um sich einerseits für die neuen Aufgaben durch Bankenregulierung zu rüsten und andererseits nicht den Fokus auf das bestehende oder angestrebte Geschäftsmodell zu verlieren. Über die technische Herausforderung hinaus müssen sich Banken zudem fragen, ob sie sich „nur“ der sich anbahnenden regulatorischen Herausforderung stellen wollen oder generell hinterfragen möchten, welches Geschäftsmodell der Zukunft sie betreiben – also „nur“ reine Hausaufgaben machen, die extern gestellt und abgearbeitet werden oder sich einer eigenen Doktorarbeit mit selber gesetztem Fokus stellen.

FinTechs unterstützen als gleichwertige Partner

Eine solche Entwicklung zu beschreiten, ist kein Buch mit sieben Siegeln. Der Generalschlüssel liegt darin, zu begreifen, dass die anstehenden Transformationen (Digitalisierung, Sustainable Finance, Nachhaltigkeit, New Work, Modern Leadership im Datenmanagement) Partner brauchen, die sich ergänzen, um den eigenen Weg der Transformation zu definieren. FinTechs unterstützen dabei an der neuralgischen Stelle, die alle Transformationen gerade treiben: Die Implementierung der Technologie und der Aufsatz der Datenmodelle zur Umsetzung der Strategie.

Banken können die Technologie der FinTechs und auch deren Vorgehen als Enabler nutzen, um Daten auszuwerten, ihre Produkte zu erweitern und neue zu kreieren. Dies ermöglicht Kunden, wichtige Themen, wie etwa ihren ökologischen Fußabdruck abzubilden – in Gänze des Kontos oder nach für den Kunden wichtigen Kategorien, um dazu im nächsten Schritt Empfehlungen auszusprechen. Das kann zum Beispiel eine Bewertung zum Thema Mobilität wie Tankausgaben, Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr, Flügen und Geschäftshotelbuchungen sein – also Services, die über das klassische Banking hinausgehen.

Mittels Whitelabel-, SaaS-Lösungen, Managed Services, APIs oder SDKs lassen sich flexible Business-to-Business-to-Customer (B2B2C)-Lösungen realisieren, die Daten aus verschiedenen Quellen automatisiert sammeln, auswerten und im benötigten Format in der passenden Anwendung bereitstellen. Dabei stehen Relevanz und Mehrwerte für die Kunden im Mittelpunkt.

So beinhalten solche Anwendungen zum Beispiel Dokumenten-Services wie das automatische Abholen von Dokumenten aus Portalen oder machen das Extrahieren von Informationen via OCR und das Kategorisieren von Transaktionen möglich. Dafür sorgen PSD2-konforme Schnittstellen beziehungsweise Access-to-Account-(XS2A)-Lösungen. Sie schaffen die technischen Voraussetzungen dafür, dass Kunden unterschiedliche Konten integrieren können und ihnen Funktionen wie „Umsätze einsehen“ oder „Zahlungen ausführen“ unmittelbar zur Verfügung stehen. 

Ein anderes Praxisbeispiel sind Services, die Kunden helfen, ihre Verträge im Blick zu behalten, zu organisieren und zu optimieren, indem sie über Drittanbieter mit Alternativen verglichen werden können. Funktionen zur Automatisierung des Wechsels, etwa zur Kündigung, ermöglichen einen bequemen Transfer von Informationen zu einem anderen Anbieter – auch per Smartphone.

Das eigene Risikomanagement weiterentwickeln

Für Banken essenziell ist, aus Zahlungsströmen und Dokumenten Daten zu erheben, diese mit Informationen aus weiteren Quellen anzureichern und zu nutzen. Eingegebene Adressen etwa lassen sich in Echtzeit auf ihre Korrektheit überprüfen. Ferner können über Schnittstellen das elektronische Transparenzregister abgefragt und Handelsregisterauszüge abgerufen werden. Auch ein Media-Screening lässt sich implementieren, das Daten aus Internetquellen aggregiert.

Dadurch erhalten Verantwortliche ohne manuellen Aufwand umfassende Informationen über Kunden. Dies ermöglicht einen Fortschritt bei der Risikobeurteilung bis hin zu einer automatisierten Know-your-Customer-Prüfung. Damit begegnen Banken einer derzeit besonders gefragten Herausforderung: der Weiterentwicklung des Risikomanagements. Sie zählt dem „Ausblick für den Banken- und Kapitalmarkt auf das Jahr 2021“ von Deloitte zufolge aktuell zu den Top-Trends und Themen, die sich vor dem Hintergrund der Krise und der dezentralen Arbeitsweise der Mitarbeiter weiterentwickeln müssen. Konkret unterstützen KYC-Anwendungen mittels B2B-Förderkreditauskunft und der B2B-Fördergeldauskunft bei der Prüfung Tausender Anfragen für Kredite.

Der wichtigste Punkt: Der Kunde hat was davon!

Ein weiterer Anwendungsfall der Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse – neudeutsch Insights, der sich gut verknüpfen lässt, ist das Anbieten passgenauer Produkte und Services zum richtigen Zeitpunkt. Einen Service ähnlich denen von Vergleichsportalen könnten Banken schon lange für Kunden anbieten. Zusammen mit Funktionen, die eine Inanspruchnahme einfach und unmittelbar ermöglichen, erlebt der Kunde maximalen Komfort, welcher für eine positive Customer Experience und eine stärkere Kundenbindung zur Bank als Anbieter der Anwendung sorgt. Banken überzeugen so bestehende wie auch neue Kunden und steigern die Nutzung ihrer Services und damit nachhaltig ihren Ertrag.

Denn sie können dem Kunden bieten, was diese schon lange im E-Commerce gewohnt sind: Passgenaue Lösungen und Hinweise, die über das klassische Banking hinaus gehen. Kurz: Mittels einer passend ausgestalteten Partnerschaft zu agil arbeitenden FinTechs kann es ihnen unter permanentem Wandel unterliegenden Rahmenbedingungen gelingen, zeitnah Geschäftsmodelle zu realisieren, welche im Zeitalter des Kunden eine flexible Basis für Erfolg nachhaltiger Natur legen. Was müssen Banken dafür tun? Ihren Nordstern neu definieren. Die aktuellen Rahmenbedingungen bieten dafür unbegrenzte Möglichkeiten.