Sie sind einer der Gründer von Wealthpilot. Wie kam es zu der Idee für das FinTech?
Stephan Schug: Mit der Idee zu Wealthpilot hatten wir uns seit 2010 auseinandergesetzt. Damals entwickelten wir – das sind in diesem Fall Co-Gründer Daniel Juppe und ich – während unseres Studiums Managementinformationssysteme für Private-Equity-Fonds. Ein zentraler Vorteil dieses Systems war die Transparenz aller Kennzahlen bis auf die Einzelebene sowie die intuitive Logik dahinter. Dieses System kam bei den Investment-Managern der Gesellschaft so gut an, dass sie diese Software direkt für ihre verwalteten Vermögenswerte selbst einsetzen wollten. Das Problem im Jahr 2010 war, dass es, verglichen mit der Datenverfügbarkeit von Systemen für Customer Relationship Management (CRM) oder Enterprise Resource Planning (ERP) in mittelständischen Unternehmen, noch keine Möglichkeit gab, private Vermögensdaten aus den verschiedenen Lagerstellen automatisiert zu aggregieren. Dies änderte sich massiv mit dem Beginn des Open Banking Trends der vergangenen fünf Jahre.
Parallel wurde für uns aus verschiedenen Gesprächen mit Geschäftsführern und Vorständen aus dem Bankensektor immer deutlicher: Durch den zunehmenden Margendruck wird das individuelle Gespräch zwischen Vermögensberater und Kunde mehr und mehr zu einem Luxusgut werden.
Dabei hatten wir die Lösung für dieses Problem im Prinzip schon gebaut. Mit unserer Software konnten wir die Banken dazu in die Lage versetzen, alle Anlagedaten ihrer Kunden auf einer einheitlichen Plattform aufzubereiten. Mit diesen Überlegungen im Hinterkopf gründeten wir im Jahr 2017 Wealthpilot zusammen mit einem Team aus Spezialisten für Software-as-a-Service (SaaS) und Wealth-Management-Experten.
Hybride Vermögensberatung bedeutet: Informationen werden datengetrieben aufbereitet, die Entscheidungen fällt der Mensch.
Wealthpilot liefert die digitale Infrastruktur für eine persönliche Vermögensberatung. Wie sieht diese Infrastruktur aus?
Unsere SaaS-Lösung ist eine digitale Plattform, welche den Banken und deren Kunden zur Verfügung steht. Der Kunde erhält eine Übersicht über all seine Vermögenswerte und kann diese mit dem Vermögensberater seines Vertrauens teilen. So kann der Berater die Anlagen des Kunden holistisch betrachten, mit ihm zusammen eine nachhaltige Anlage-Strategie entwickeln und einzelne Anlagen entsprechend umschichten.
Wir nennen das hybride Vermögensberatung: Die Informationen werden datengetrieben aufbereitet und visualisiert, die Entscheidungen fällt der Mensch. Essentieller Bestandteil unserer Infrastruktur sind die Schnittstellen zu den Banken und Vermögensberatern. Hier haben wir schon mehrfach gezeigt, dass wir bei Banken innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit und ohne aufwendige Implementierungsprojekte einsatzbereit sind.
Wer sind die Kunden von Wealthpilot und warum sollten sie Ihre Lösung nutzen?
Unsere Kundenbasis umfasst aktuell mehr als 6.000 Volksbanken, Sparkassen, Versicherungen, Maklerpools wie auch unabhängige Vermögensberater und -verwalter sowie deren Endkunden. Wir wachsen kontinuierlich: Inzwischen analysieren Berater mit der Wealthpilot-Software täglich insgesamt mehr als 25 Milliarden Euro an Vermögenswerten. Der Grund, warum sie die Software nutzen, könnte einfacher nicht sein: Wealthpilot ermöglicht es den Beratern, sich frei von Zeitdruck auf ihre Kernkompetenz zu konzentrieren – die professionelle Finanzberatung ihrer Kunden.
Was ist der ganz spezielle USP von Wealthpilot?
Wer die Software in seinem Haus einsetzt, hat drei große Vorteile gegenüber der Konkurrenz: Den ersten Vorteil hatte ich oben schon erwähnt. Der Vermögensberater kann sich wieder primär auf seine wertschöpfende Tätigkeit fokussieren: die persönliche, verständliche und ganzheitliche Kundenberatung. Der Praxiseinsatz zeigt immer wieder, dass hier bis zu 70 Prozent Zeit eingespart wird, allein durch die Automatisierung von Prozessen. Zweitens hilft die Transparenz dabei, Vermögenswerte sinnvoll umzuschichten, um den finanziellen Lebenszielen der Endkunden bestmöglich zuzuarbeiten. Erfahrungsgemäß kann der Berater seine Assets under Management mit Wealthpilot unterm Strich um bis zu 50 Prozent erhöhen. Der dritte Vorteil von Wealthpilot sind die IT-Schnittstellen. Sie sind so weit entwickelt, dass wir bei fast jeder Bank nur noch den passenden Stecker aus dem Werkzeugkasten holen müssen. Das ist wie Plug and Play für die Vermögensberatung.
Sie setzen auch stark auf Kooperationen. Wer sind diese und was bringen sie?
Genauer betrachtet sind unsere B2B-Kunden unsere Kooperationspartner. Gemeint sind alle Lagerstellen von Vermögenswerten von Banken bis hin zu Versicherungen, zu denen wir direkt Schnittstellen entwickeln. Beispielsweise gehören dazu die Volksbanken, wie Berlin und Mittelhessen, aber zum Beispiel auch die Versicherungsgesellschaft Helvetia Leben. Mindestens genauso wichtig sind uns aber auch die Kooperationen mit kleineren Häusern und Depotbanken. Mit Hilfe dieser Kooperationen erhöhen wir täglich die Anzahl an Assets, welche in Summe über die Wealthpilot-Plattform verwaltet werden.
PSD2 ist sicher auch für Wealthpilot ein Thema. Wie gehen Sie damit um?
Im Oktober 2019 haben wir mit Wealthpilot von der BaFin die Zulassung als Kontoinformationsdienst erhalten. Diese Zulassung ist seit der Reform der zweiten Europäischen Zahlungsdienstrichtlinie (PSD2) Pflicht für alle Unternehmen, die Zahlungsdaten und -informationen bei Banken abrufen, beispielsweise Kontobestände im Falle der Vermögensübersicht bei Wealthpilot. Mit der erfolgreichen Zulassung erfüllen wir die strengen Auflagen der Richtlinie hinsichtlich Datensicherheit und Datenschutz auf dem Niveau von Banken.
Was unterscheidet Sie von Robo-Advisors?
Mit dem ganzheitlichen Ansatz des hybriden Vermögensmanagements setzen wir uns klar ab von den klassischen Robo-Advisors, bei welchen es rein um die Anlage von liquiden Vermögenswerten geht. Die Aufbereitung der Daten erfolgt maschinell, die Entscheidungen trifft bei uns der Mensch. Wir sehen unsere Rolle darin, die datengetriebene Vermögensberatung aller liquiden und illiquiden Vermögenswerte einer breiten Anlegerschaft zugänglich zu machen. Das schätzen auch unsere Bank-Kunden, denn sie wollen weiterhin persönlich beraten werden – nur eben effizienter und qualitativ hochwertig, wie es nur auf Basis von Daten möglich ist.
Wealthpilot setzt schon vor der Anlage am Kapitalmarkt an – wir wollen, dass Endkunden jederzeit volle Kontrolle über all ihre Finanzen haben und dadurch ihre finanziellen Lebensziele schneller erreichen.
Corona hat die Beratung bei Finanzinstituten deutlich verändert und die Digitalisierung stark beschleunigt. Hat das auch Auswirkungen auf Ihr Unternehmen?
Corona beschleunigt einen Prozess, der bereits vor einigen Jahren eingesetzt hat. Banken treiben sowohl die Digitalisierung als auch die Pläne zur hybriden Beratung schneller voran. Wir verstehen uns als Antwort auf die Frage: Wie sieht die persönliche Beratung in einer Welt nach Corona aus? Der Endkunde will gerade in Krisenzeiten einen persönlichen Coach an seiner Seite wissen. Mit Wealthpilot können Kunde und Berater gleichermaßen automatisiert alle Vermögenswerte jederzeit einsehen, virtuell besprechen und daraus Handlungsempfehlungen ableiten. So nähern wir uns immer mehr unserer Vision der Demokratisierung von professionellem Wealth Management für den Endkunden.