Banken stehen bei digitalen Diensten auf der Bremse

Ein Artikel von Christian Wolfangel, Partner bei Senacor Technologies | 30.04.2020 - 08:19
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Wie sich Banken im digitalen Zeitalter positionieren wollen

Wie wichtig es künftig ist, aus Kunden­daten neue digitale Angebote zu machen, ist den Banken in Deutschland völlig klar. 83 Prozent der Fach- und Führungskräfte in Banken glauben, dass die Institute grundsätzlich verstanden haben, welche Chancen in den Daten stecken. Doch marktreife Angebote gibt es bislang kaum. Häufig beschränken sich neue Dienste darauf, vormals manuelle Abläufe in die digitale Welt zu verlegen, beispielsweise eine weitgehend digitalisierte Antragsstrecke. Doch neuartige Dienste, die automatisch Umsatzdaten von Bankkunden auswerten, sind immer noch eine absolute Ausnahme – und das gleich aus mehreren Gründen.

42 Prozent der Banken fürchten sich davor, ihre Kunden vor den Kopf zu stoßen und halten sich deshalb zurück. Vier von zehn Instituten zeigen sich wegen der ­Sicherheit ihrer Daten vorsichtig und auch wegen des strengen Datenschutzes in EU-Ländern wie Deutschland. Die Probleme vor allem einiger Neobanken, was die Datensicherheit angeht, scheinen auch die etablierten Banken von eigenen Digitaldiensten abzuhalten. Hinzu kommen aber auch praktische Probleme, wie eine beschränkte IT oder fehlendes Personal. Jede dritte Bank hat damit zu kämpfen und kommt auch deshalb nicht voran, was datengetriebene Angebote angeht.

In vielen Banken sind die Daten beispielsweise auf verschiedene Systeme verteilt und lassen sich deshalb nur schwer zu einem datengetriebenen Dienst verbinden. 39 Prozent der Institute geben an, dass ihnen geeignete Schnittstellen fehlen, um an die relevanten Daten zu kommen. 36 Prozent klagen zudem über veraltete Anwendungen. 35 Prozent verfügen über nicht durchgehend automatisierte Abläufe und jede dritte Bank muss mit mangelhafter Datenqualität leben. 28 Prozent treten auf der Stelle, weil das Kernbankensystem nicht mehr mitspielt. Die IT gehört also nach wie vor zu den größten Baustellen im Bankbetrieb, zumindest hinsichtlich durchgehend digitaler Strukturen. Richtig ist aber auch, dass die Institute längst damit begonnen haben, die technologischen Schulden zu tilgen. 92 Prozent digitalisieren derzeit ihre Abläufe. 58 Prozent sehen dies sogar als besonders wichtig an. Darüber hinaus arbeiten 90 Prozent daran, ihre IT-Systeme besser zu vernetzen, und fast ebenso viele wollen automatisieren. Das sind gute Nachrichten, weil datengetriebene Angebote und digitale Dienste darauf aufbauen, dass die gesammelten Informationen ungehindert fließen können und möglichst wenig oder gar keine manuellen Aufgaben mehr erfordern. Allerdings ­gehört auch dazu, jetzt nach möglichen Anwendungsfällen zu suchen und schnell in den Markt zu gehen.

Daten noch immer Nischenthema

Bei konkreten Ideen, die Banken hinsichtlich datengetriebener Dienste verfolgen, bleibt das große Ganze unklar. Häufig entwickeln die Institute explorativ einzelne Dienste, die zwar digital aufgebaut sind, aber dennoch bereits etablierten Abläufen folgen. Beispielsweise bietet heute nahezu jede Bank einen vereinfachten Dialog an, um online oder mit dem Smartphone ein Girokonto zu eröffnen. Wer sich ins Online-Banking seiner Bank einloggt und dort einen Kredit ­berechnen möchte, kann sich das Geld unkomplizierter auszahlen lassen, weil alle wichtigen Daten bereits gespeichert sind. Und bei der Geldanlage durch Künstliche Intelligenz wächst das Angebot auch von Tag zu Tag.

Kurzum: Die Kunden bekommen digital, was sie analog schon kennen. Wirklich neue Dienste gibt es nur vereinzelt – und die stecken häufig noch in den Kinderschuhen, liegen in der Schublade oder stellen einfache Spielereien dar, wie automatisch kategorisierte Ausgaben. Im großen Stil hat noch kein Institut ein Angebot lanciert, das offen damit wirbt, Kontodaten auszuwerten und daraus neue Dienste oder gar gänzlich neue Geschäftsmodelle zu machen. 

Die Banken drohen hier einen wichtigen Vorsprung zu verspielen, den sie gegenüber Tech-Riesen wie Apple, Amazon oder Google noch haben: Vertrauen. ­Klassische Banken, keine Neobanken wie N26 oder Revolut, genießen in Deutschland sogar mehr Vertrauen als staatliche Behörden oder die gesetzlichen Krankenkassen. Zumindest was ihre Daten betrifft. Doch das muss nicht so bleiben, schließlich tun sowohl die FinTechs wie auch die großen Angreifer aus dem Silicon Valley alles dafür, um sich das Vertrauen ihrer Kunden zu er­arbeiten. Apple beispielsweise hat von sich reden gemacht, weil das Unternehmen sich weigerte, ein verdächtiges iPhone zu entschlüsseln.

Kein Tabu mehr bei Kontodaten

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Abb. 1: Wie sich Banken im digitalen Zeitalter positionieren wollen

Je länger die Banken also damit warten, mehr aus ihren Kundendaten zu machen, desto eher sehen andere Anbieter darin ihre Chancen. Dazu gehört vor allem eins: Mut. Wenn sich die Institute aus Angst vor ihren Kunden nicht mehr trauen, innovativ zu handeln, tun es andere. Die mögen zwar auf den ersten Blick weniger zu verlieren haben, als die etablierten Banken. Doch wenn sie Erfolg haben, steht der Zugang zum Kunden auf dem Spiel. 

Anders ausgedrückt: Nichts zu tun, um bloß nicht die Kunden zu verärgern, führt nur dazu, dass sie doch weiterziehen und die interessanteren Angebote wahrnehmen. Das sehen wir bei Paypal oder Apple Pay. 

Darüber hinaus haben die Kunden längst gelernt, sich die Angebote so zusammenzustellen wie sie wollen. Bezahlen tun sie schon über Drittanbieter. Den Strom- oder Gasanbieter wechseln immer mehr im Internet über die großen Vergleichsplattformen. Was fehlt, ist der gebündelte Blick auf das Konto von Verbrauchern, um noch genauer individuelle Bedürfnisse zu ermitteln und den eigenen Dienst noch bequemer zu gestalten. Solange noch keine einheitlichen PSD2-Schnittstellen bestehen, die den Kontozugriff auch für Drittanbieter öffnen, ist das Rennen noch nicht entschieden. Das gilt sowohl für datengetriebene Angebote wie auch die eigene Positionierung als Bank (vgl. Abb. 1).

Erstaunlicherweise haben viele Banken bereits ein klares Bild entwickelt, wohin die Reise für sie gehen soll. 44 Prozent wollen spezialisierte Bankprodukte anbieten, die andere Banken für deren Kunden anbieten. Je ein Drittel arbeiten daran, eigene Plattformen aufzubauen beziehungsweise mehrere Dienste von Drittanbietern zu integrieren. 

Insgesamt ergibt sich ein sehr differenziertes Bild an möglichen Positionierungen, die jedoch alle zwei Dinge gemeinsam haben. Erstens, bauen sie auf digitaler Kompetenz auf und zweitens hängt deren Qualität maßgeblich davon ab, wie intelligent sie mit den Kundendaten umgehen – und dazu gehören künftig auch die Konto- und Umsatzdaten.